Was ist los, Joschi Bär? Ein Bilderbuch über sexualisierte Gewalt

Triggerwarnung: Folgender Text kann dich stressen, verstören, Angst oder eigene Erinnerungen auslösen, an die man im Moment lieber nicht denken möchte.

Joschi lebt mit seiner Familie in einer Bärenhöhle und liebt Computerspiele über alles. Am liebsten spielt er mit seinem besten Freund Toni. Doch in letzter Zeit ist Toni komisch, er lacht nicht mehr und hat sich verändert. Joschi findet, dass er traurig aussieht, und als er Toni darauf anspricht, meint dieser: Es ist ein Geheimnis. Joschi redet mit seiner Mama und gemeinsam hoffen sie, dass es ein schönes Geheimnis ist, denn “… es gibt nämlich auch schlechte Geheimnisse. Und die MUSS man sogar verraten.”

Joschi ist furchtbar neugierig, und als er herausfindet, dass das Geheimnis etwas mit dem netten Nachbarn Herrn Bruse zu tun hat, schleicht er um dessen Höhle. Dieser bittet ihn schließlich herein und zeigt ihm ein neues Computerspiel, das eigentlich nur für Große ist. Das ist also das Geheimnis!

Doch auf einmal will Herr Bruse eine Gegenleistung: Er hätte gern, dass Joschi ihm den Pelz krault. Joschi findet es ekelhaft, aber er bringt nicht den auf Nein! zu sagen. Verstört geht Joschi heim und muss immerzu an das, was passiert ist, denken. Er traut sich nicht, seiner Mama davon zu erzählen und hat Angst, dass Papa schimpft, weil er heimlich Computer gespielt hat. Schließlich vertraut er sich aber doch den Eltern an. Am Ende zieht eine neue Familie ins Nachbarhaus ein, und Herr Bruse wird nie mehr gesehen.

Puh. Schwere Kost für empfindsame Kinderohren, heftige Geschichte mit vielen Details und teilweise gruseligen Zeichnungen. Auf der einen Seite finde ich das Buch, das ab ca. 4 bis 5 Jahren empfohlen wird, wichtig, richtig und bis auf einige Stellen textlich gelungen. Ich hatte nicht vor, das Bilderbuch meiner 3-jährigen Tochter vorzulesen, allerdings hat sie sich beim Stapel der zu rezensierenden Bücher selbst bedient und will es nun dauernd vorgelesen bekommen. Die Charaktäre Joschi und Toni samt liebevoller Eltern findet sie sehr ansprechend, die süssen Zeichnungen gefallen ihr außerordentlich gut. Anhand der Geschichte besprechen und spielen wir Nein! sagen und dass kein Erwachsener den eigenen Körper berühren darf – Ausnahme wir Eltern und Ärzt_innen, aber auch die haben vorher zu fragen.

Wie bei allen Präventionsthemen gilt auch hier: Klar kann man sich dem jeweiligen Thema anders annähern, z.B. wie in “Du darfst die Katze streicheln“, doch ebenso funktioniert es in diesem Fall direkt mit einer Geschichte über Übergriffe selbst – die aber auch verstören und Angst machen kann. Das sollte man bei dieser Lektüre jedenfalls bedenken. Beim Vorlesen ergänze ich immer, dass es keinesfalls die Schuld von Joschi oder Toni war und der Nachbar allein verantwortlich ist für seine Tat, die absolut nicht ok ist. Das kommt mir im Text zu wenig klar hervor. Auch das Bestärken der Kinder zum Nein-Sagen ist mir zu kurz ausgefallen und kann nicht oft genug wiederholt werden.

Auf der anderen Seite ist die Geschichte geradezu klischeehaft – der nette Nachbar ist der Täter und er verschwindet nach dem Bekanntwerden auf Nimmerwiedersehen. Wohin? Das bleibt offen. Wie löst sich das Problem? Dazu gibt es keine Antworten, doch auch dazu haben Kinder (und nicht nur diese) Fragen. Da Übergriffe oft durch Bekannte aus dem unmittelbaren Umfeld des Kindes erfolgen, kann ich mit der stereotypen Darstellung gut leben. Und auch den Ratschlag der Mutter, bloß nie mit einem Fremden mitzugehen, passt da ganz gut ins (oft falsch vermittelte) Bild von sexualisierter Gewalt gegenüber Kindern.

Mein 3-jähriges Kind zum : “Ich mag, dass die Bärenkinder am Ende wieder Freunde sind. Und dass man nie die Hand geben muss.” Ich schließe mich an. Geht gut ab 3 Jahren, aber bitte immer begleitet anschauen und das Thema nachbesprechen. Insofern ist dieses eins der wenigen, die zwar im Kinderbuchregal stehen, aber nur gelesen werden dürfen. Auch das kann man gut erklären und ist eine akzeptable Lösung für meine Tochter.

Brigitte Endres, Anna Karina Birkenstock “Was ist los, Joschi Bär?” (aracari Verlag), 14€

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