Das mit der Vulva ist ja so eine Sache. Kaum ein Körperteil wird (aus den unterschiedlichsten Gründen) so oft und flächendeckend falsch benannt. Meistens werden Begriffe benutzt, die sich eigentlich auf einen ganz anderen Teil des Körpers beziehen, zum Beispiel Scheide oder Vagina. Beides bedeutet „Behälter für eine Klinge“, als solcher wird offenbar der innenliegende Muskelschlauch gesehen. Dass es einen Namen, der das Äußere und Sichtbare zusammenfasst gibt, wissen die wenigsten.
Papa, das heisst Vulva!
„Sprache schafft Wirklichkeit und gestaltet die Realität“ finden auch die Autor_innen von Lina, die Entdeckerin und haben ein Kinder(sach)buch für heranwachsende Menschen geschrieben. Sie wollen Kindern einen selbstverständlichen Zugang zu ihrem Körper und vor allem zu der Vulva zu ermöglichen.
Das Buch besteht zum einen Teil aus einer gereimten Geschichte über ein entdeckungsfreudiges kleines Mädchen namens Lina. Wir begleiten sie auf ihrer fantastischen und unterhaltsame Expedition durch einen Teil ihres Körpers. Dabei befragt sie ihre Mutter (die gerade schwanger ist) und ihre Schwester (die ihr einiges über die Regelblutung erzählen kann), pinkelt in den Schnee, wäscht sich in die Badewanne und erklimmt einen Venushügel. Zusätzlich gibt es auf einzelnen Seiten informative Exkurse rund um Anatomie und Hygiene zu lesen. Unter anderem gibt es dort eine Abbildung der (ganzen) Klitoris zu sehen: Was für ein revolutionärer Moment in einem Kinderbuch. Die aquarelligen Illustrationen sind generell sehr ansprechend und ergänzen das Geschriebene anschaulich.
Das Buch richtet sich an Kinder ab 3 Jahren, hält aber auch für Ältere (und nicht zuletzt für Erwachsene) viel spannendes Wissen bereit. Ein Kritikpunkt bleibt (wie so oft leider): Das Buch bildet zwar Vielfalt ab, ist aber binär geschrieben. Die Vulva ist per se kein weibliches Geschlechtsorgan. Nicht nur Mädchen und Frauen können eine Vulva haben. Die müssen die Vorleser_innen selbst ergänzen. Mit diesem Hinweis möchte ich Lina ist eine Entdeckerin, als Aufklärungsbuch, das einen wichtigen Beitrag zur einem selbstverständlichen Umgang mit dem Körper leistet , aber sehr gerne empfehlen. Mit der zweiten Auflage wurden kleine Änderungen im Text vorgenommen, „Lina die Entdeckerin“ ist somit nun sprachlich inklusiv und nicht mehr cis-normativ.
Katharina Schönborn-Hotter, Lisa Sonnberger, Flo Staffelmayr: Lina, die Entdeckerin
32 Seiten, 22 Euro, ab 3 Jahren
Achse Verlag 2021
Danke für die Empfehlung. Die Bilder sind toll und das explizite Benennen und Darstellen ungewöhnlich. Tatsächlich bin ich gespannt wie meine 4-jährige darauf reagiert.
Nicht so gut gefallen mir die Reime. Man hat den Eindruck, dass die Autorinnen sich abmühen nach dem Motto “Reim dich oder ich beiß’ dich”. Auch die Geschichte leidet meiner Ansicht nach darunter. Und mir macht das vorlesen weniger Spaß, wenn die Sprache so holpert. Ich werde vermutlich eher über die Bilder sprechen und freue mich schon auf das was ich man beigebracht bekomme 😉
Ich hatte mich gefreut, das Buch zu entdecken, weil meine Vierjährige sich ein Buch “über Scheiden” wünscht. Kaufen werde ich es aber nicht, zum einen weil ich wie Charlotte die Gedichtform nicht gelungen finde. Die Reime sind bemüht, das Metrum passt nicht. Und ich suche ein Buch, dass Kindergartenkinder abholt – da sind mir die Darstellungen der Vulven zu erwachsen.
Trotzdem toll, dass es jetzt ein erstes Kinderbuch zu dem Thema gibt. Vielleicht folgen ja bald weitere Sachbücher über Geschlechtsteile.