„Bei den Indianern“, „Fliegender Stern“, „Yakari“ und Co.: Warum wir keine „Indianer“bücher lesen

(Titelbild: Kinderbücher, die wir stattdessen lesen, ein kleiner Auszug)

Anmerkung: Ich habe den rassistischen Begriff I******* im Titel dieses Beitrags aus SEO-Gründen ausgeschrieben. Ein herzliches Hallo an alle, die auf der Suche nach einschlägigen Kinderbüchern waren und hier gelandet sind. Im weiteren Text zensiere ich das Wort, um es nicht zu reproduzieren.

Ich habe während des Studiums der Primarstufenpädagogik begonnen, mich mit dem Thema „I*******“ intensiver auseinanderzusetzen. In kaum einer Schule, die ich im Rahmen meiner Ausbildung besucht habe, bin ich nicht in irgendeiner Form darüber gestolpert.

 

A, E, I, O, U sind laut dem aktuell in Österreich und gebräuchlichen Schulbuch „ABC der Tiere“ „I*******laute“

 

„I*******“ sind im deutschsprachigen Raum aber auch über die Schule hinaus sehr präsent. Wer dort nicht über sie „lernt“, „kennt“ sie aus Fernsehserien, als Verkleidung im Fasching und natürlich aus Kinderbüchern.

Apropos Fasching: Ella aka Ringelmiez hat einen sehr lesenswerten Beitrag zum Thema „Indianer“kostüme und Alltagsrassismus (und ein Nachwort) geschrieben und warum es nicht ok ist, sich als „I*******“ zu verkleiden. Sie beleuchtet vor allem den Aspekt der kulturellen Aneignung.

 

 

Diese Karnevalssaison startete in eine Kampagne, die ursprünglich von Rassismusbetroffenen aus den USA konzipiert wurde: „Ich bin kein Kostüm!Für diese Menschen sind alltagsrassistische und diskriminierende Erfahrungen weder harmlos noch witzig. Ihre Stimmen vermehrt hörbar zu machen, eine neue öffentliche Diskussion anzuregen, in der auch Interessensvertretungen von BIPOC (Black, Indigenous, and people of color) zu Wort kommen und neue kreative und inklusive Karnevalstraditionen zu ermöglichen, ist das Ziel dieser Plakataktion. Die Kampagne soll dafür sensibilisieren, dass die Bilder, die die Kostüme wiederaufgreifen und sie zu „den Anderen“ machen, ihr Leben nachhaltig negativ beeinflussen und nicht „okay“ sind. Auch 2018 immer noch beliebte und häufig anzutreffende Kostüme stärken rassistische und stereotype Bilder. Europäer_innen benutz(t)en diese Bilder, um Ausbeutung und Unterdrückung von bestimmten Menschengruppen zu rechtfertigen. Dies ist den wenigsten Träger_innen der Kostüme bewusst. Die Zeit des Kolonialismus und der sogenannten „Entdeckungen“, die mit Massenmorden und anderen Gräueltaten einhergingen, wird bislang schlicht nicht ausreichend aufgearbeitet.

 

Aus „Du gehört dazu. Das große Buch der Familien“ (2010)

 

Weil dies ein Blog ist, in dem es um progressive Kinderliteratur geht, möchte ich darlegen, warum die Darstellung von „I*******“ in solcher keinen Platz hat. Es gibt davon jedoch allerhand: Zum Beispiel „Der Kleine Drache Kokosnuss bei den I*******“, die Kinderbuchreihe „Yakari“,„Wieso, Weshalb, Warum“-Bücher sowie Pixibücher („Große Abenteuer für kleine Kerle. Piraten, Ritter, I******* – die beliebtesten Abenteuer-Themen für Jungs”). Wer sich einen Überblick verschaffen will, kann ja mal „i*******  kinderbuch“ in die Suchmaschine der Wahl eingeben.

Darüber hinaus erscheinen viele Kinderbücher, die auf den ersten Blick ganz gut wirken, in welchen sich dann aber die eine oder andere Abbildung eines stereotypen „I*******“ oder einer solchen Verkleidung wiederfindet. Ich wünsche mir diesbezüglich mehr Bewusstsein. Doch bevor ich weiter auf Darstellungen in Kinderbüchern eingehe, gibt es Begrifflichkeiten zu klären.

Was sind eigentlich „I*******“?

Bei dem Begriff „I*******“ handelt es sich in erster Linie um eine europäische Projektionsfläche und ein Fantasiekonstrukt1,. Dieses ist im deutschsprachigen Raum vor allem durch Romane, Bücher, Comics, die von weißen Europäer_innen verfasst wurden, geprägt. Wer im Duden nachliest, sieht, dass der Begriff vor allem biologisch und ethnologisch untermauert ist und an biologistische Rassevorstellungen2 anknüpft.

Gleichzeitig weist der Duden nicht darauf hin, dass das, was unter „I*******“ zusammengefasst wird, viele Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, politischen und gesellschaftlichen System zusammenfasst. Wenn man das Wort nachschlägt, findet man folgendes:

„Angehöriger der in zahlreiche Stämme verzweigten Ureinwohner Amerikas mit glänzend schwarzem Haar u. rötlich brauner bis gelblicher Hautfarbe: die nordamerikanischen I. leben meistens in Reservaten; ein I. kennt keinen Schmerz (scherzh.; man muss tapfer, darf nicht wehleidig sein)“3

 

Aus „Meine bunte Wörterwelt“ (2006)

 

Europäisches Fantasiekonstrukt meets historisches Missverständnis

Dass es sich bei der Bezeichnung „I*******“ um ein historisches Missverständnis handelt, ist den meisten Menschen bekannt: 1492 landete Christoph Kolumbus in Amerika, dachte aber, es handle sich um Indien und gab den Bewohner_innen des Kontinents in weiterer Folge diesen Namen. Obwohl den meisten Menschen diese Tatsache bekannt ist, wird der Begriff trotzdem weiter verwendet. Während man in der Regel nicht sehr stolz darauf ist, historische Irrtümer weiterzutragen, wird in diesem Fall die Tatsache nicht nur ignoriert, sondern ganz im Gegenteil eigentlich sogar stets hofiert4. Es handelt sich bei dem Begriff nicht nur um ein harmloses historisches Missverständnis sondern eigentlich um eine entpolitisierende Verharmlosung5: „I*******werden nicht als Amerikaner_innen betrachtet. Obwohl sie selbst die Ersteinwohner_innen des Kontinents waren, wird ihnen eine Existenz vor der kolonialen Entdeckung abgesprochen. Sowohl ihre als auch Amerikas beginnt nicht mit Christoph Kolumbus.

 

Aus „Das Beste von Allem“ (2015)

 

Der Begriff  blendet außerdem aus, dass es sich bei den Ersteinwohner_innen Amerikas um viele sehr heterogene Bevölkerungsgruppen handelt(e). Die damals und heute existierende kulturelle, geschichtliche und sprachliche Vielfalt wird dadurch unsichtbar gemacht. Diese Homogenisierung beruht auf einer kolonialistischen Anmaßung6. Die vielfältigen Bevölkerungsgruppen, Kulturen und unterschiedlichen Gesellschaften Nord- und Südamerikas waren für die Erober_innen nicht relevant.

Die Bezeichnung „I*******ist also, abgesehen davon, dass sie historisch nicht korrekt ist, rassistisch und exotisierend durchsetzt.

Was darf ich denn dann sagen?

Die gute Nachricht: Die Frage „Darf man das heute überhaupt noch sagen?“ erübrigt sich von selbst und zwar in jeder Hinsicht. Du darfst sagen, was du willst! Es gibt weder ein gesetzliches Verbot, noch eine andere höhere Instanz, die es dir verbietet. Auch wenn was anderes behaupten: Es gibt keine Sprechverbote. Die schlechte Nachricht: Du musst dir deine eigenen Gedanken dazu machen und dich informieren.

Ich finde es nicht sonderlich sinnvoll, auf das Wort „I*******“ zu verzichten, OHNE darüber hinaus nachzudenken und sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich fände es sogar ziemlich kontraproduktiv.

Ähnliches gilt nicht nur für dieses Thema, sondern für alle Lebensbereiche. Es ist immer eine gute Idee sich aktiv mit internalisierten Denkmustern zu beschäftigen, sie zu hinterfragen und zu verlernen. Höre jenen zu, die von Diskriminierung betroffen sind und mache dich deiner eigenen Privilegien bewusst.

Und wie kann ich jetzt wirklich sagen???

Es gibt Alternativen zu homogenisierenden, veralteten und rassistisch belegten Fremdbezeichnungen. Zunächst einmal ist es wichtig, zu überlegen, von welcher spezifischen Gruppierung man genau sprechen will, um ihre Eigenbezeichnung verwenden zu können. Wenn man sämtliche in Frage kommende Gesellschaften sprachlich verallgemeinern will, sollte man sich bewusst machen, dass es sich dabei um ein künstliches Konstrukt handelt. „Die I*******“ gibt es schlicht nicht.

 

Aus „Wir sind nett von A bis Z“ (2017).

 

Eine sprachliche Zusammenfügung macht lediglich dann Sinn, wenn es sich um Zusammenhänge handelt, die alle Mitglieder dieser Gruppen potentiell betreffen. Zum Beispiel wenn es um strukturelle rassistische Diskriminierung geht. In diesem Fall kann man auf die von den Gruppen selbst verwendeten Begriffe wie Premier Peuples, First Nations oder die deutsche Übersetzung Ersteinwohner_innen zurückgreifen7.

Und das Ganze umgelegt auf Kinderbücher

Eine bildliche Zusammenfügung, also eine stereotype Abbildung, macht im Gegensatz zu einer sprachlichen überhaupt nie Sinn. Wenn man ein westliches Fantasiekonstrukt darstellen will, das es in dieser Form nie gegeben hat, das aber rassistisch und exotisierend durchsetzt ist (und im schlimmsten Fall auch noch Völkermorde verharmlost), dann ist klassische Abbildung eines stereotypen „I*******“ wohl passend. Diese hat aber in progressiven Kinderbüchern keinen Platz.

 

Aus „Mein erstes ABC“. (1976)

 

Mir ist klar, dass in den meisten Fällen die Abbildung von stereotypen „I*******“ nicht „negativ gemeint“ ist, sondern oft sogar sehr wohlwollend (Stichworte: „Edle Wilde“). Wie wir wissen: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Der gute Wille macht es die Darstellung nicht richtiger und reproduziert in weiterer Folge Exotisierung. Exotisierung kann leicht in rassistischen Vorurteile umschlagen. Dies geschieht beispielsweise dann, wenn das Fremde mystifiziert, romantisiert oder sexualisiert und als naturnah betrachtet und damit auf einer niedrigen Entwicklungsstufe angesiedelt wird.

Eine Alternative für alle, die sich für die Amerikas interessieren, sind Kinderbücher aus der Perspektive (im Idealfall auch geschrieben) von Angehörigen einer der zahlreichen First Nations. Leider sind mir auf Deutsch keine bekannt. Auf Englisch gibt es aber allerhand Ressourcen und als Service gibt’s hier unten ein paar Listen zum durchklicken. Das wäre auch eine Idee für fortschrittlich bzw. zeitgemäß agierende Verlage, sich der einen oder anderen Übersetzung anzunehmen. Interesse an Ersteinwohner_innen Amerikas gibt es im deutschsprachigen Raum ja offensichtlich mehr als genug.

#IndigenousReads by Indigenous Writers: A Children’s Reading List

10 Beautiful Indigenous Children’s Books To Add To Your Library

Indigenous & First Nations Kids Books – Strong Nations

MUST READ INDIGENOUS CHILDREN’S BOOKS LIST

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1 Nduka-Agwu, A. (2013). >Indianer_in<. In A. Nduka-Agwu, & A. L. Hornscheidt, Rassismus auf gut Deutsch: Ein kritisches Nachschlagewerk zu rassistischen Sprachhandlungen. am Main: Brandes & Apsel. S.141
2 (ebd.)
3 Duden, 2002, S. 1952
4 Nduka-Agwu, A. (2013). S. 143
5
Arndt, S. (2012). Die 101 wichtigsten Fragen: Rassismus. München: Ch. Beck. (S. 92)
6
Nduka-Agwu, A. (2013). S. 144
7
Nduka-Agwu, A. (2013). S. 145

22 thoughts on “„Bei den Indianern“, „Fliegender Stern“, „Yakari“ und Co.: Warum wir keine „Indianer“bücher lesen

  1. Ich vollziehe nicht nach, warum “Bei den Indianern” (Ravensburger) hier in diese Reihe gestellt wird. Sicher, auf dem cover sind – dem Klischee entsprechend – Sioux (glaube ich) mit Tipis abgebildet, die erste Doppelseite danach ist ein Überblick über verschiedene first nations auf dem nordamerikanischen Kontinent, jeweils mit den typischen Gebäuden. So zieht sich dass durch, dass die Vielfalt und das was die first nations kulturell produziert haben illustiret wird. Die Vertreibung wird thematisiert, mit weissen siedlern als schuldigen – die Seuchen und Massenmorde halte ich für ein ungeeignetes Thema für ein Buch für Kindergartenkinder.
    Insgesamt halte das für eine okaye Art, kindliche Neugier aufzugreifen. Meine interessiert es halt nicht.

    Warum seht ihr hier keinen qualitativen Unterschied zu z.B. Yakari? Wie, in welchem Alter, was, in welchen Umfang erfahren eure Kinder von den first nations, bzw. was wäre eurer Meinung nach geeignet?

  2. Es beinhaltet immer noch die inkorrekte und rassistisch geprägte Verallgemeinerung, allein schon durch den Titel, der wieder von “den Indianern spricht”. @martin

  3. Ich finde den Beitrag sehr gut. Allerdings finde ich das wie bei den Eskimos, den Kindern auch erklärt werden kann woher der Begriff Indianer stammt. Und finde es trotzdem wichtig das Kinder in diesen Rollen schlüpfen ohne die Bevölkerungsgruppen herabwürdigen zu wollen. Kinder verstehen durch Rollenspiele und Identifikation. Da findet eine Auseinandersetzung statt. Sogar das Gegenteil trifft ein ,Indianer werden doch da eher emporgehoben. Auch bei Yakari ist das der Fall. Kinder denken Indianer sind toll, die retten Tiere… und das klassische Rollenbild gab es nun mal bei den Sioux auch.
    Ich stör mich ja auch nicht daran wenn sich ein Mann als Frau verkleidet, oder sich in meine Rolle versetzt. Gut die saufenden Karnevalisten sind mal dahingestellt. Aber es geht ja auch um Kinder.

    1. Also erstmal wäre es ganz respektvoll, wenn du nicht In**aner sagst, wenn du über die amerikanischen Ureinwohner sprichst, da dieser Begriff rassistisch ist. Und das große Problem mit diesen Kostümen ist, dass das kulturelle Aneignung ist. Die Kleidung und der Schmuck sind etwas Besonderes und Wichtiges mit Bedeutung für diese Völker. Die Identität der ameikanischen Ureinwohner ist kein Kostüm und man sollte Kindern auch nicht beibringen, dass es okay ist, „In**aner“ nachzuahmen und so zu tun, als würden sie ohne Ausnahme alle in Tipis schlafen, Rauchzeichen machen und Federn im Haar tragen. Es ist nämlich nicht okay, was man auch daran merkt, dass viele Ureinwohner Amerikas immer und immer wieder betonen, dass so etwas diskriminierend und beleidigend ist.

  4. Vielen Dank für den sehr informativen Artikel. Ich finde das Thema sehr wichtig und bin immer froh, wenn ich über alltägliche Diskriminierung aufgeklärt werde. Bei uns ist das Thema der Native Americans gerade aufgekommen, als wir das Buch “Den Indianern auf der Spur” von der magischen Baumhausreihe unserer vierjährigen Tochter vorlesten. Wir haben schon viele Bücher dieser Reihe gelesen und ich habe mir nicht viel gedacht, als wir das Buch aus der Bücherei ausliehen… Sie findet nun den Lakotajungen aus der Geschichte super und spielt häufig dass sie “schwarzer Falke” heisst. Aus diesem Grund habe ich dann noch das “Was ist Was” Buch über Indianer aus der Bibliothek ausgeliehen. Nun weiss sie auch schon viel über die Native Americans (auch über die ungerechte Behandlung, wie das Töten der Büffel, das Bringen der Krankheiten, die Reservate usw.) aber natürlich habe ich es verpasst ihr zu erklären, dass man sie nicht Indianer nennt.. Nun möchte sie auch gerne das Buch aus der “Wieso Weshalb Warum”-Reihe über “Indianer” und ich ringe ein bisschen mit mir, ob wir es am Schluss doch kaufen werden, wenn wir daran vorbei laufen. Ich frage mich, auch wie ich es ihr erklären soll, dass sie sich (falls sie dies ein mal wünscht) nicht als “Indianermädchen” verkleiden soll. Rudimentär hat sie dies schon öfter mit Feder und Stirnband gemacht auch freut sie sich, wenn wir ein Prärieessen machen mit Maisbrei und Bohnen.
    Ich finde diese Gratwanderung sehr schwierig. Was ist noch schätzen der verschiedenen Kulturen und der Geschichte, was ist schon Diskriminierung? Auch ist hier oft die westliche Gesellschaft nicht sehr förderlich. Wenn ich zum Beispiel mit meiner Tochter über Schokoküsse spreche werde ich von anderen Erwachsenen darauf hingewiesen, dass ich doch auch den rassistischen Begriff verwenden könne, da es sowieso niemanden störe hier. Doch mir geht es ja nicht darum, dass ich Leute störe, die sowieso nie Rassismus erfahren.
    Eigentlich wäre es hier wichtig einzustehen und bei seinem Standpunkt zu bleiben, so wie ihr dies in eurem Artikel macht. Nur leider gelingt mir dies nicht immer. Sei es aus Unwissenheit, oder weil ich nicht immer mutig genug bin.

    Auf jeden Fall möchte ich mich gerne bei Euch für den interessanten und informativen Artikel sowie die Links zu den Bücherlisten bedanken.

  5. Danke für den interessanten Artikel. Es ist spannend und dringend überfällig zu sehen, was alles an kolonialistischem Denken in uns steckt.

    Wobei nicht alle, von europäischen Autoren geschrieben Kinder- und Jugendbücher schlecht sind. So haben sich Autoren wie Lieselotte Welshkopf-Henrich und der Comicautor/Zeichner Derib durchaus auch kritisch mit dem Thema auseinander gesetzt und ihre Recherchen durch Begegnungen mit Menschen der First Nations vertieft. Hierbei interessant finde ich vorallem auch folgende Titel:

    Ursula Wölfel
    Fliegender Stern

    Lieselotte Welshkopf-Henrich
    Das Blut des Adlers (Reihe von 5? Bänden)

    Derib
    Red Road

    Vor allem auch in “Das Blut des Adlers” und “Red Road” erfährt man viel über das Schicksal der First Nations nach ihrer Deportation in die Reservationen, von Diskriminierung und Umerziehung und dem schwierigen, von Armut, Alkoholismus und Ausgrenzung geprägtem Alltag.
    Im Buch “Fliegender Stern” wird der Kontakt zu den “weißen Männern” durchaus auch schon kritisch, wenn auch sehr kindgerecht dargestellt.
    Da wären noch die Romane (für Erwachsene) von Lucia St. Clair Robson zu nennen. Hier spielt sicher auch viel Fiktion mit, doch auch hier wird Emphatie für das Schicksal verschiedener bekannter Persönlichkeiten der First Nations geweckt. Das Schicksal von Quannah Parker und seiner Mutter ist sehr interessant dargestellt, aber auch “Tiana”, ein Roman der den “Trail of Tears” mit einschließt und die Lebensweise der Cherokee beleuchtet.

    Nichts davon erstzt natürlich ein gutes Sachbuch über die vielfältige Kultur der First Nations.

    Für (meine Freundin) und mich war der kolonialistisch geprägte “Indianer” Nordamerikas der Einstieg, sich näher mit dem Thema zu befassen. Je mehr wir uns mit dem Thema beschäftigten, desto mehr wichen die Stereotype vom Fasching, den Western- und Karl May-Filmen und weiterem dem vertieften Wissen über die Lebensumstände der First Nations.
    Daher denke ich, dass auch, wenn Bände wie der Comic Yakari und weitere Kinder- und Jugendbücher doch diese Klischees bedienen, sie doch helfen können uns Europäer zu einer Emphatie bezüglich der First Nations zu führen. Es ist aber sicher noch ein weitere Weg, bis sich Europa da völlig vom Kolonialismus lösen kann.

    In meinem Alltag benutze ich den Begriff “Indianer” halt mitunter dennoch…es ist bei den kleinen Bibliothekslesern der asoziierte Begriff. Um das zu ändern, benötigt es sicher auch Änderungen im medialen Bereich.
    …und so kommt ein Buch aus den 1980ern sicher auch an seine Grenzen, wie es der Jim Knopf von Michael Ende heute tut. In dem findet man diesen gut gemeinten Kolonialismus in allen vorhanden Steriotypen. Kennt auch noch jemand “Karlchen Kugelrund”?
    So gibt es nach und nach mehr und mehr der alten Klassiker, von denen wir uns dann doch trennen – oder die dann eben Neufassungen erfahren. Letzeres ist in vielen Fällen sicher angebracht. Lieber eine gute und gerechte Neufassung…den auch ein Jim Knopf hatte ja nicht nur schlechtes. So war er in seiner Zeit bespielsweise die erste schwarze Hauptfigur in einem Kinderbuch und hat auf diese Weise, wie ich kürzlich in einem interessanten Artikel lesen konnte, auch schwarzen Kindern ein Geschenk gemacht. Unbedarft sollten wir uns sicher nicht an solche Themen heranbewegen.

    Der Karl May ist natürlich eine schauderhafte Mischung, doch hat er im Gegensatz zum Western ja schon zur Symphatie bezüglich der First Nations beigetragen. Sicher auch zum romantisierten Bild…mal wieder eher zwiespältig…

  6. In „Wir sind nett“ geht es um das Alphabet, auf der gezeigten Seite werden Begriffe mit I und J dargestellt…

    Susan Arndt hat in „Afrika und die deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk“ dargelegt, warum sie den Begriff „Ureinwohner“ für unpassend hält:
    „Mit dem Begriff ‚Ureinwohner/innen‘ werden nur Schwarze in ehemaligen Weißen Kolonien
    bezeichnet. Ihm haften abwertende Konnotationen wie etwa ‚fehlende Zivilisation‘ und
    ‚Primitivität‘ an. Die Vorsilbe ‚ur‘ weckt Assoziationen einer längst vergangenen Zeit und damit
    einer Rückschrittlichkeit. Sie impliziert, ähnlich wie ‚Eingeborene‘, dass das aus westlicher Sicht
    zum ‚Anderen‘ gemachte sich auf einer niedrigeren Entwicklungsstufe befindet als das ‚Eigene‘.
    Indem sie darauf reduziert werden, im besten Fall Träger/innen einer ‚Kultur‘ (aus einer lange
    zurückliegenden Epoche) zu sein, werden sie auch in einem anderen Rechtsraum verortet als
    ‚Einwohner/innen‘. Wenn den ‚Ureinwohner/inne/n‘ ‚Einwohner/innen‘ gegenüber stehen, nicht
    etwa ‚Späteinwohner/innen‘, manifestiert sich ein asymmetrisches Verfahren, das ‚NichtUreinwohner/innen‘ zur Norm erhebt.“

    1. Danke, das I und J sind mir nicht aufgefallen bzw. der ganze Zusammenhang zu den anderen Abbildungen bei “Wir sind nett”. Zur Erhellung der Begrifflichkeit danke ich auch. Dem Duden nach bedeutet Ureinwohner lediglich Angehöriger der Urbevölkerung und als Beispiel dient Australien. “Ur” impliziert für mich persönlich keine Rückschrittlichkeit. “Indigen” finde ich persönlich bis jetzt auch völlig aktzeptabel. Auch ich möchte ja verhindern, dass in die nächste Generation unsensibler Sprachgebrauch weitergegeben wird, daher finde ich es nach wie vor wichtig, ein breites Publikum zu erreichen statt für eine kleine Gruppe ohnehin bereits informierter Menschen neue Worte zu erfinden. Ich bin aber sehr dankbar für die Buchempfehlungen. Und ich hätte auch einen riesengroßen Wunsch. Vielleicht hätte jemand Lust und das Know-How zu so einem Projekt. Ich habe als Kind selbst sehr wenige Bücher gelesen. In unserem Haushalt gab es sie kaum. Meine Kinder sollten es anders haben und so wollte ich ihnen die Klassiker vorlesen, die ich selbst nur aus dem Fernsehen kannte ( Pippi Langstrumpf etc.). Natürlich stieß ich gleich auf rassistische Worte und habe sie beim Vorlesen gleich zensiert. Ich hätte so gerne eine Liste/Sammlung, auf der die Klassiker angegeben sind, in denen solche Worte vorkommen ( der Verlag Thienemann ändert so etwas ja in den Neuauflagen, aber es gibt ja auch noch alte Auflagen). Oder auch, welche Klassiker man inhaltlich noch empfehlen kann hinsichtlich Rollenbildern/Werten etc. Wer hätte denn gedacht, dass es beim Hörspiel “Der Mäusesheriff” von Janosch noch solche Worte gibt? Ich kann leider nicht vorab alle Bücher durchlesen, um dann zu entscheiden, ob es für mich in Ordnung ist. Vielleicht habt ihr dazu eine Idee?

  7. Danke für den gut verständlichen Artikel.
    Was ich noch nicht so richtig verstehe, ist, warum Yakari als schlechtes Beispiel gezählt wird.
    Yakari ist ein Musterbeispiel für Nächstenliebe und Naturfreundlichkeit. Gleichzeitig werden nicht alle Menschen in seinem Umfeld als solche vereinheitlicht, sondern verschieden Charaktere dargestellt.
    Im Titel und auch im Titelsong der Fernsehserie ist auch nie die Rede von “Indianern”, sondern Yakari wird relativ konkret als Sioux dargestellt. Zeichner Derrib hat die Sioux besucht und relativ autentisch dargestellt.
    Kann mir jemand die Kritik noch ein bisschen mehr erklären?

  8. Nun ist es nach 3 Wochen Kindergarten schon so weit: es wurde aus einem I******* buch vorgelesen. Wir hatten das Thema zuhause noch nicht besprochen, bzw haben auch nur ein Buch, in dem das Wort vorkam und haben es dort durch native American ersetzt. Aber wie kann ich jetzt mit dem Kind darüber reden? Am liebsten wäre mir, es gäbe ein gutes Buch zu dem Thema, das es dann auch mal in den Kindergarten mitnehmen kann. Leider ist alles noch so neu im Kindergarten, dass ich das noch nicht direkt gegenüber den Betreuerinnen ansprechen mag. 🙁 ohje, ich dachte ich bleibe davon noch etwas verschont…

  9. Ich kann vieles von Liselotte Welskopf-Henrich empfehlen.

    Ich denke nicht, dass es reicht, das Wort Indianer durch Native Americans oder Ureinwohner zu ersetzen und darauf zu verweisen, dass man das jetzt nicht mehr sagt.
    Ich sehe das pragmatischer: Wenn mein Kind durch ein „Indianer“-Buch die Kulturen und die Geschichte Nordamerikas besser verstehen lernt und die unterschiedlichen Stammesgruppen auch benennen kann, ist es mir egal, welcher Begriff auf dem Cover steht.

    Ich kennen niemanden, der darauf erpicht ist, das I-Wort zu vermeiden, der mir bisher auch nur zehn oder wenigstens fünf Stammesgruppen nennen konnte.

  10. Ich habe in meinem Leben schon viel Schwachsinn gelesen, aber das hier ist die Krönung.
    Der Begriff Indianer ist genauso wenig rassistisch wie der Begriff Europäer.

    Rolf Günther

  11. Hallo! Danke für den Artikel!
    Ich schlage als alternativen Begriffe “soziale Gruppen” oder “indigene Gruppen” bzw. “Indigene” vor, wenn man sich nicht auf eine bestimmte Gruppe bezieht.
    Liebe Grüße
    Vanya
    Ethnologiestudentin

  12. Vielen Dank für diesen Artikel. Ich tue mich gerade noch etwas schwer mich von den I*** zu trennen. Es war eines der Themen, die mich als Kind sehr interessiert haben und zwar auf eine positive Weise. Mich hat die Idee fasziniert, dass Menschen im Einklang mit der Natur gelebt hatten und das ganze Leben mit Naturmaterialien gestalten konnten. Aus dem Interesse heraus, habe ich mich als Kind auch mit dem Leid auseinandergesetzt, das der indigenen Bevölkerung erlebt hat. Und bis heute ist es mir ein wichtiges Anliegen, dass indigene Gruppen ihren Lebensraum und ihre Lebensweise behalten dürfen. Ich sehe als Erwachsene Person natürlich auch die Klischees, die in diesen Büchern vorkamen… Ich fände das Thema I*** auszumerzen irgendwie schade, weil es mich wirklich als Kind Emaphie gelernt hat. Gibt es zeitgemässere Bücher, um über diese Themen zu sprechen. Mir scheint es sinnvoll mit Kindern über verschiedene kulturelle Lebensformen zu sprechen. Ich fände es super, wenn ihr auch dazu eine Bücherliste zusammenstellen könntet. Es könnte ja viel offener und breiter sein und aus aller Welt. Gibt es da keine guten Bücher auf Deutsch?

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