Jeden Tag Spaghetti – ein Buch über Schubladen, “woher kommst du eiiiiigentlich” und Rassismus

Die Illustratorin und Autorin Lucia Zamolo hat bereits im Vorjahr gezeigt, dass ihr erstes Buch “Rot ist doch schön” (ein Buch über Menstruation) kein One-Hit-Wonder war. Nach “Elefant auf der Brust” (zu Liebeskummer) folgt nun “Jeden Tag Spaghetti”.

Mit dem Buch bleibt sie ihrem Erzählstil treu, thematisch führt die Linie zu einem weiteren Aspekt aus ihrer unmittelbaren Erfahrung. Als Kind einer Mutter die aus Deutschland stammt und einem Vater der aus Italien kam (was auch immer das heißt und warum auch immer das von Bedeutung ist), sieht sie sich immer wieder mit der Frage konfrontiert, “Und du, woher kommst du? Also EIGENTLICH.”. Die Ich-Erzählerin führt die Leser*innen durch Situationen des Alltags, untermalt mit greifbar aufbereiteten theoretischen Erklärungen (etwa zur Konditionierung die macht, dass man bei einer Party auf die Frage “Woher kommst du?”, eben nicht sagt “Ich war gerade am Klo.”, sondern “Naja meine Mama kommt aus Land X, mein Papa aus Land Y und ich wurde in Land Z groß.”.)

“Glaub nicht alles, was du denkst.” 

Auf humorvolle Weise geht sie der Frage auf den Grund was hinter “Woher kommst du?” eigentlich verborgen ist. Denn selten ist es eine Frage, sondern eher eine Feststellung (“Ich sehe du bist nicht von hier.”) und eine Form des Othering, also die Mitteilung, dass man nicht dazu gehört (“Ich sehe du bist nicht von hier, weil du siehst nicht aus wie ich. Und du gehörst somit nicht zu unserer Gruppe.”).

Hervorzuheben ist, dass Zamolo dabei sehr genau zwischen Stereotypen und Schubladen unterscheidet, in die man sie stecken will und Rassismus, mit dem in ihrem Umfeld zb. aufgrund der Hautfarbe konfrontiert sind. Diese Unterscheidung ist wichtig. Denn selbst Erwachsene vermischen dies in Diskussionen immer wieder. Beides ist anstrengend und hat auf Einzelpersonen mitunter negative Auswirkungen. Dennoch ist es etwas anders ob über dieses “Du bist anders als wir, aber oh Italien ist schön und oh, Spaghetti so lecker.” hinaus noch die Suche am Wohnungs- und Arbeitsmarkt erschwert wird, man grundsätzlich für das Reinigungspersonal im Bürogebäude gehalten wird, oder verbal und physisch angegriffen wird. 

“Wir lernen nur, wenn wir uns Fehler eingestehen. – Auch, wenn’s unbequem ist. Pls remember: in so einer Schublade ist es das auch.” 

Zamolo hat sich genau darüber auch Gedanken, ob sie ein Buch machen kann, in dem sie Rassismus erklärt. Die letzte Doppelseite nutzt sie, um ihre Position und ihre Privilegien zu reflektieren und Einblick in die Entstehung des Buches zu geben.

“Dieses Buch hat etwa 124 Seiten und trotzdem gibt es noch mindestens 137495038862 Geschichten zu erzählen, Sichtweisen einzubeziehen, zu erwähnen, Begriffe zu erklären und Theorien zu beleuchten. […] Darum habe ich eine Bitte: Sieh dieses Buch als Anstups, dich weiter mit diesem Thema zu beschäftigen – zu lesen, zuzuhören, hinzuschauen, zu reflektieren, um daraus zu lernen … und zu wachsen.” 

Das “Anstupsen” gelingt Zamolo perfekt. Mit ihrer bildhaften Sprache (auf Text- und Bildebene – die häufig miteinander verschmelzen) schafft sie es eine breite Leser*innenschaft abzuholen, ohne Vorwissen vorauszusetzen oder bereits mit dem erhobenen Zeigefinger zu warten. Gleichzeitig gelingt es auf grandiose Weise dem Thema mit Humor und Leichtigkeit zu begegnen, ohne die Bedeutung und die Wirkungsmacht zu schmälern.

Lucia Zamolo: Jeden Tag Spaghetti (BOHEM), 16,50€

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