Groß. Eine Geschichte über Selbstliebe.

“Groß” hieß in der Vorschau noch Schwer und auch wenn viele der Worte und Sätze im schwer wiegen, schafft “Groß” die wichtige Distinktion zwischen Stigma und Beschimpfung hin zu einer wertfreien Beschreibung des Körpers und Aussehens.

Hier zeigt sich, dass, wie bei so vielen Büchern des Zuckersüß Verlags, sowohl die Übersetzerin bewusst ausgewählt wurde, als auch in ein Sensitivity Reading investiert wurde.

Sie – die Protagonistin in dritter Person

In “Groß” trägt die Protagonistin keinen Namen. Es wird stet in der dritten Person über “Sie” gesprochen. So wird einerseits auf die Entmenschlichung und Stereotypisierung, die dicken Personen zuteil wird referiert, aber auch der Schablonenhaftigkeit, in die Mädchen beim Heranwachsen passen müssen.

Sei es eben durch Körpergröße, aber auch durch ihr Verhalten. 

“Sie lernte das ABC und zu zählen. Sie sagte immer Danke und Bitte und räumte sogar ihr ganzes Spielzeug auf. Beim Abendessen aß sie ihren Teller leer. “Was für ein großes Mädchen du doch bist!”, sagten die Erwachsenen dann. Und das war gut so.” 

Beschrieben wird ein groß werden, das einhergeht mit einem kleiner werden und sich anpassen, um in die gesellschaftlichen Erwartungen zu passen. 

Aus “groß” wird GROß

Und so wie das leer Essen des Tellers erst noch erwünscht ist (und bis zu einem gewissen Maß auch Zeichen der Anpassung und des unkompliziert Seins) ist das Wachsen erst noch ein Kumulieren positiver und Fähigkeiten.

Bis Sie dann eben nicht mehr nur groß ist, sondern GROß, in Form einer feststellenden Kritik. Und “gut gemeinte Ratschläge” [sic!]. Und plötzlich fühlt man sich winzig klein.

Das beschreibt in Wort und Bild treffend, wie prägend Worte und Erfahrungen rund um den Körper sein können.

Dabei werden alle Möglichkeiten des Medium Buches ausgenutzt. Einerseits kommen verschiedene Typografien zum Einsatz, um die Brüche zwischen wertfreien Erfahrungen, Verletzungen und Selbstermächtigungen zu unterscheiden.

Aber auch das Format des Buches, dass der Protagonistin buchstäblich zu klein wird und aus dem sie ausbricht und sich mehr Platz (ausklappbare Seiten) schafft. 

Kontext – Fettfeindlichkeit und Rassismus

Für Vorlesende bietet das zwei wichtige Kontextualisierungen. Zunächst die Anmerkungen der Autorin und ihre eigenen Erfahrungen als zu großes Schwarzes Mädchen. 

Womit sie auch hervorhebt, dass mit ihrem Dick Sein nochmals andere Anfeindungen und Ablehnungen erfahren, als weiße Mädchen.

Auch der Verlag geht in einer zusätzlichen Anmerkung auf die Bedeutung von Rassismus ein und die Notwendigkeit, diesen anzusprechen. Sowie nicht außer Acht zu lassen, dass beide Formen der Anfeindungen nicht alleine lösen können, da sie systematisch und in der tief verankert sind.

Tipps zum Weiterlesen und Hören: 

Elisabeth Lechner hat in ihrem Buch “Riot, don’t diet!” (Kremayr & Scheriau) Schwarz sein und Erwartungen an Körper ein eigenes Kapitel gewidmet. 

Persönlich bin ich während der Weihnachtsfeiertage in ein “Maintenance Podcast” Loch gefallen und kann ihn nur allen ans Herz legen als wertvolle Ressource. (zB Anti-Fat Bias; zu den Folgen gibt es übrigens Transcripts!)

Auf dem to be read Stapel liegt noch “Hässlichkeit” von Moshtari Hilal.

“Groß”, Vashti Harison. Zuckersüß 2023 (24,90 Euro)

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