Nicht nur, aber schon auch speziell in Tagen wie diesen ist das Sterben und der damit verbundene Verlust von geliebten Menschen allgegenwärtig. Und weil der Tod noch immer für viele ein großes Tabu ist, für das uns die (richtigen) Worte fehlen, ist es nun an der Zeit an dieser Stelle zwei eindrucksvolle Kinderbücher zum Thema vorzustellen.
“Füchslein in der Kiste” von Antje Damm ist eine kurze Vor- aber durchaus auch Selberlese-Geschichte für Kinder ab ca. 5 Jahren. Ein alter Fuchs zieht auf eine Lichtung und schleppt eine Holzkiste mit sich, in der Dosen mit Tomatensuppe gelagert sind, das einzige Essen, das er ohne Zähne noch essen kann. Die neugierigen Kaninchen verlieren schnell ihre Angst vor dem alten Fuchs und freunden sich mit ihm an. Doch eines Tages sagt der Fuchs:
“Ich bin so müde. Bald werde ich gehen.”
Wohin, das weiß er nicht und dann legt sich der Fuchs in seine Kiste und stirbt. Die Kaninchen halten die ganze Nacht lang Wache und vergraben am Morgen die Kiste. Sie singen ein Lied und denken an ihn, vor allem dann, wenn sie Tomatensuppe essen.
Die Story klingt erstmal eher banal und wenig tiefgründig, doch in der Kombination mit den schon aus anderen Büchern von Antje Damm bekannten 3D-Kulissen-Fotos ist jedes Wort stimmig. Sanft und behutsam ist das Sterben von der ersten Seite an Thema. Mit jedem Umblättern nähert sich die_der Leser_in dem kommenden Tod des alten Fuchses an. Die liebevollen Bildkompositionen führen uns das Sterben recht verständlich und klar vor Augen, da gibt es keine Schnörkel oder Verniedlichungen. Die Sprache ist präzise am Punkt, kein Wort zu viel oder zu wenig.
Ich muss zugeben, dass ich mir beim Vorlesen meist meine eigenen Tränen verkneifen muss, auch wenn (oder obwohl) das Ende durchaus tröstlich und damit auch heilsam ist oder zumindest sein kann. Auffallend ist, dass das Buch ohne spirituellem Schnick-Schnack auskommt, der alte Fuchs geht weder ins Regenbogenland, noch wird er zum Engel oder Wölkchen. Er ist einfach tot, lebt aber in der Erinnerung der Kaninchen weiter. Im Kinderbuch-Kanon ist “Füchslein in der Kiste” jedenfalls in dieser Hinsicht eine Bereicherung für alle, die wenig oder nichts mit dem Glauben an ein (paradiesisches) Leben nach dem Tod anfangen können.
Antje Damm: “Füchslein in der Kiste” (2020/Moritz), €12,95
Auch in eine Geschichte verpackt ist “Geht Sterben wieder vorbei?”, das der Gabriel-Verlag ab ca. 5 Jahren empfiehlt. Marlenes und Pauls Opa stirbt nach einer längeren Krankheit, und wir begleiten als Leser_innen die Familie von der Verabschiedung bis zum Begräbnis bzw. darüber hinaus in ihrer Erinnerung an den geliebten Großvater. Neben der ausführlichen Erzählung über den Verlust und den Umgang mit der Trauer, gibt es alltagstaugliche Illustrationen von Särgen, Urnen, der Verabschiedungszeremonie, dem Friedhof und auch vom toten Opa (wenn auch nur aus einem erhöhten Blickwinkel von hinten, aber immerhin). Aus einem mir nicht ganz verständlichen Grund traut man sich offenbar wenig über die Abbildung eines toten Menschen drüber, was schade ist. Immerhin drehen sich vieler Fragen (auch) um den Anblick von Verstorbenen.
Ergänzend findet die_der Leser_in in separaten Kasterln (echte) Kinderfragen rund ums Sterben, die ich für sehr gelungen halte, wie zum Beispiel:
- Ist einschlafen das Gleiche wie tot sein?
- Woher weiß man, dass ein Mensch wirklich tot ist?
- Was passiert in einem Krematorium?
- Wohin geht das Leben von einem toten Menschen?
- Warum weint man?
- Wie tief ist das Grabloch bei der Beerdigung?
Die Autorin Schroeter-Rupieper ist Familientrauerbegleiterin, deren langjährige Expertise sich als roter Faden durchs gesamte Buch zieht. Ein Nachwort an die Erwachsenen bringt die kindliche Vermittlung von Abschiednehmen, Sterben, Trauerarbeit und Verlust in einen pädagogischen Rahmen inklusive hilfreicher Tipps und Hinweise für Gespräche mit Kindern über den Tod. Vor allem die Ermutigung Kindern auch schon präventiv Informationen diesbezüglich zur Verfügung zu stellen (z.B. wenn es eine schwer kranke Person im Umfeld gibt bzw. bei Nachfragen), halte ich für wertvoll. Als kleine Randbemerkung sei am Ende noch erwähnt, dass die ProtagonistInnen in der Bildsprache keine Vielfaltsmerkmale aufweisen (sie sind z.B. alle weiß), textlich jedoch interkulturell und divers formuliert wird.
Mechthild Schroeter-Rupieper, Imke Sönnichsen: Geht Sterben wieder vorbei? (2020/Gabriel) €14,40
Kinder trauen anders als Erwachsene. Sterben und Tod haben zudem viele verschiedene Facetten, daher ist es kein Wunder, dass Menschen darüber höchst unterschiedlich sprechen und denken. Aus diesem Grund gibt es für mich kein Kinderbuch, das das Thema abschließend behandelt oder als einzelnes Werk pauschal allen empfohlen werden kann. Eine Auseinandersetzung mit der Sterblichkeit unserer Liebsten, der Umgang mit Trauer und Verlust und die Herausforderung jedes Mal aufs Neue nicht daran zu verzweifeln betrifft uns alle, egal, wie alt oder jung wir sind. Um es Kindern leichter oder besser: weniger abstrakt begreiflich zu machen, gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Bücher und man tut gut daran, einfach die für sich Passenden auszuwählen.
Im Internet gibt es zahllose Listen von Kinder- und Jugendbüchern über das Sterben. Die von Judetta zum Beispiel finde ich gelungen, da sie ausführlich und detailreich ist und Kinderbücher von 3 bis 20 Jahren abdeckt.
Ah, wie praktisch – ich wollte dich schon nach Buch-Tipps zum Thema Tod fragen 🙂 Lieben Gruß! Sigrid