Seeräubermädchen und Prinzessinnenjunge

Mara ist eine echte Seeräuberin. Mithilfe ihres Hundes Landratte bedroht sie ihren Papa schon auch mal mit dem Holzsäbel, den Oma geschnitzt hat, um knusprig gebackene Goldtaler zu erbeuten.
Auf dem Spielplatz ist das Klettergerüst ihr Schiff, mit dem sie in See sticht. Milo tanzt gerne, zieht seine Prinzessinnenkleider an und kann mit seinen Glitzerbändern an der Schaukel in den Himmel fliegen oder mit seinem Zauberstab das Frühstücksei verschwinden lassen. Am meisten liebt er es, wenn Papa und Mama gemeinsam Zeit haben, ihm eine Gutenachtgeschichte vorzulesen. Als sich die beiden auf dem Spielplatz kennen lernen, werden sie beinahe sofort die besten Freund_innen. Mara probiert das Fliegen aus, Milo wird Knotenmeister auf Maras Schiff und lernt die Seeräuberinnensprache.

Erst Maras Sommerurlaub trennt die beiden für einige Wochen voneinander und bringt große „Vermissung“ mit sich, die dann gar nicht mehr so leicht zu vertreiben ist. Aber natürlich schaffen die beiden auch das mit Unterstützung ihrer Eltern.

Die Familien, die hier dargestellt werden, sind Traumfamilien: Bedürfnisorientierte, liebevolle Eltern, die ihre Kinder in ihren Vorstellungen und Wünschen unterstützen und auch keinen Ausdruck von Stress zeigen, wenn sie mit vorgehaltener Waffe im Homeoffice vom Arbeiten abgehalten werden. Und das ist auch okay, denn dabei kommt ein heraus, das einfach Spaß macht. Auch dann, wenn eine die unerträgliche Vermissung eintritt, die uns zeigt, dass auch kurze Trennungen für kleine Kinder eine große Katastrophe sein können, die aber zum Glück mit etwas Vertrauen in einander gemeistert werden kann.

Natürlich freut mich sehr, dass dieses von so fröhlich und ausdrucksstark illustrierte eine Welt jenseits von Geschlechtsrollenklischees zeigt, in der alleinerziehende Väter und lesbische Mütter existieren, ohne darauf einen speziellen Fokus zu legen. Die Diskriminierung, die Milo als Prinzessinnenjunge erfährt, wird in einem kurzen Satz angesprochen, gerade so, dass Vorlesende mit Kindern auch darüber sprechen können.

Ein schönes Buch, das viele Anknüpfungspunkte für Gespräche über die Welt und wie sie sein könnte bietet und nicht mit sympathischen Vorbildern geizt.

Nils Pickert: „Seeräubermädchen und Prinzessinnenjunge“. Illustriert von Lena Hesse. Carlsen 2022, 68 Seiten, 14,40 Euro, ab 4 Jahren

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