Feministische Aufklärungsbücher für alle

Kürzlich sind zwei Bücher rund um Pubertät und Sexualität entstanden, die ich sofort auf die Liste der Bücher gesetzt habe, die ich in jungen Jahren so informativ, hilfreich und empowernd gefunden und super gerne gelesen hätte. Auch wenn es dafür schon ein bisschen zu spät ist, freue ich mich mit allen heranwachsenden Menschen, die Zugang zu solchen wertvollen Ressourcen haben.

Schamlos schön. Klartext über Pubertät, wirre Gefühle und den Mut, du selbst zu sein wurde von den zwei norwegischen Ärztinnen Nina Brochmann und Ellen Støkken Dahl geschrieben, von denen bereits 2018 das an Erwachsene gerichtete das Sachbuch Viva la Vagina! stammt. Ihr neuestes Werk richtet sich vor allem an Mädchen ab 12 Jahren („Nicht alles, was wir in dem schreiben, wird auf alle zutreffen, aber unabhängig davon ob du ein Mädchen bist oder nicht, glauben wir, dass du dich in einigen Dingen, die wir schreiben wiederkennen kannst“), wobei ich meine dass einige Inhalte auch für jüngere Kinder schon relevant sind – in diesem Fall ist es vielleicht eine gute Idee für erwachsene Bezugspersonen, sich selbst erstmal Input für eine gemeinsame Auseinandersetzung zu holen. 

Nichts muss, viel kann: Mich begeistert die lockere, nie belehrende oder normierende Art, mit der die beiden auch über Tabuisiertes schreiben. Neben „dem üblichem Zeug“ wie Gefühlswirrwar und körperliche Veränderungen rund um die Pubertät, thematisieren die Autor_innen Dinge, über die in herkömmlichen Aufklärungsbüchern oft wenig zu ist: unter anderem Selbstbefriedigung, Sexualisierte Gewalt und den massiven und Leistungsdruck, den junge Menschen heutzutage ausgesetzt sind. 

Ich mag die Aufmachung dieses umfassenden Buches ziemlich gerne, die vielfältigen Illustrationen von Magnhild Winsnes runden das Ganze ab. Inhaltlich habe ich wenig auszusetzen. Stellenweise gibt es sprachliche Ungenauigkeiten, so ist zum Beispiel eine Person erstmal nicht „im falschen Körper“ geboren, sondern im Richtigen, eventuelle geschlechtsangleichende Operationen sind eine individuelle Entscheidung. Woran ich mich allerdings doch gestört habe, ist der Hinweis, auf den ich gleich auf der ersten Seite gestolpert bin: „Dieses ist für dich – und möchte kein Geschlecht ausschließen“. Deswegen wurde „nur der Einfachheit halber“ entschieden zB statt Ärztinnen Ärzte zu schreiben. Ich finde: wer keinen Bock auf inklusive Sprache hat, soll einfach dazu stehen und nicht mit dem fadenscheinigen Lesbarkeitsargument kommen. Gerade bei einem explizit feministischen Buch finde ich das wirklich schade und es geht dadurch auch inhaltlich etwas verloren.

Dies gesagt, möchte ich das trotz der kleineren Schwachstellen als einen umfassenden, vollgepackten Guide für ein selbst-bewusstes Erwachsenwerden empfehlen.

Nina Brochmann, Ellen Støkken Dahl: Klartext über Pubertät, wirre Gefühle und den Mut, du selbst zu sein
Illustriert von Magnhild Winsnes
Aus dem Norwegischen von Maike Dörries
260 Seiten, 17 Euro, ab 12 Jahren
Dressler 2020

Sex und so ist ein herausragendes Aufklärungsbuch, denn es ist das erste deutschsprachige, das sich ausserhalb eines binären Geschlechtersystems bewegt und WIRKLICH FÜR ALLE geschrieben wurde. Von Lydia Meyer nämlich, die bisher eher Videosachen gemacht hat – unter anderem feministische, für Auf Klo oder Softie. Treffend und witzig illustriert wurde das Taschenbuch übrigens von uns keiner unbekannten Person, nämlich von Clara Fridolin Biller – fffridolin hat den Header hier oben☝️ gezeichnet). 

Ich finde das ist nicht nur geschlechtermäßig für alle, sondern auch was das der Leser_innen betrifft. Denn, wie Lydia Meyer im Vorwort schreibt, „Aufklärung dauert ewig“. Fast alles, was in diesem Buch besprochen wird, fängt mit der Pubertät an und geht ein Leben lang weiter. Es geht um queeren Sex, Geschlechteridentitäten, Pornos, um Druck und Mobbing und um Verhütung abseits vom Nicht-Schwanger-Werden, um Schwangerschaftsabbrüche und Consent, Unsicherheiten, Körpernormen, Schönheitsideale und so vieles mehr.

Meyer weiß zu den unterschiedlichsten Themen einiges und hat viel und breit recherchiert. Genau das vermittelt sie in ihren Texten, die übrigens ein wunderbares Beispiel dafür sind, dass sprachliche Genauigkeit sich nicht negativ auf das Leseerlebnis auswirkt. Zwischendurch kommen immer wieder Betroffene zu Wort und erzählen von ihren Erfahrungen (u.a. mit Intersexualität, Endometriose oder dem Akzeptieren des eigenen, dicken Körpers).

Das informiert zwar umfassend aber ist aber kein Ratgeber. Es gibt auf vieles keine Antworten, sondern zeigt Perspektiven auf und bietet Orientierung. Sex und so macht zu einer lustvollen Auseinandersetzung mit sich und seiner Umwelt. Ich spreche dafür eine ganz große Leseempfehlung aus und zwar wirklich für ALLE!

Lydia Meyer : Sex und so. Ein Aufklärungsbuch für alle
Illustriert von Clara Fridolin Biller
208 Seiten, 12 Euro
Ullstein 2020

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