Queere Kinder – eine Orientierungshilfe für Eltern und Erwachsene

„Queere Kinder. Eine Orientierungshilfe für Familien von LGBTQIA+ Kindern und Jugendlichen“ von Verena Carl und Christine Kolb ist eine gelungene Heranführung an das Thema Elternschaft+ mit Blick auf die Unterstützung von LGBTQIA+ Kindern.

Ein Thema – zwei Perspektiven

Das Buch geht sehr transparent damit um, dass es aus der Sicht zweier unterschiedlicher Positionen geschrieben ist. Die Journalistin Verena Carl schreibt aus einem persönlich gefärbten Blick als Elternteil eines queeren Kindes. Sie thematisiert dabei auch die Zerrissenheit in der sie sich findet und der Unzufriedenheit mit sich selbst, über die nicht immer zu 100% vorhandenen uneingeschränkten Akzeptanz (bei sich persönlich oder gesellschaftlich). Basis der Textteile sind zumeist Gespräche mit ihrem eigenen Kind, Erfahrungen oder Gespräche mit unterschiedlichen Expert*innen, oder trans Jugendlichen, deren Elternteile oder erwachsenen trans Personen. Auf diese Weise erlangt man einen Blick auf die Community und Personengruppe um die es geht – von aussen und innen. Christiane Kolb steuert dem Buch als Sexualwissenschaftlerin eine theokratischere Perspektive bei und zeigt die rechtlichen, wissenschaftlichen und historischen Rahmen auf, innerhalb derer man sich bewegt.

Niederschwellig und dennoch deutlich

Im ersten Viertel des Buches ist ein ausführliches Glossar, in dem Begriffe rund um LGBTQIA+ erklärt werden. Insgesamt ist das Buch als (Eltern)Ratgeber verfasst, der kaum Vorwissen benötigt (innerhalb des Buches sind auch viele Querverweise auf andere Kapitel). Gleichzeitig sind die Formulierungen sehr klar und setzten eine Offenheit gegenüber dem Thema voraus.

Auch wenn die Autor*innen selbst einräumen, dass sie nicht allem gleich unkritisch gegenüberstehen dominieren deutliche Formulierungen, die keine falsche Kompromissbereitschaft a la „über diese und jene Rechte zu Exisiteren kann man diskutieren“ signalisieren.

Ebenso wird auf die politische Instrumentalisierung und den rechten Kulturkampf eingegangen, der längst nicht mehr nur Sache der ist. Die Autorinnen reißen dies in einem dem Buch angemessenen Rahmen an und betonen gleichzeitig, dass es dazu viel mehr zu sagen und schreiben gäbe. An dieser Stelle kann auf Lydia Meyers Buch „Die Zukunft ist nicht binär“ (erschienen 2023 bei Ullstein) verwiesen werden, das unterlegt mit einer Vielzahl von Quellen mit den Kampfmythen aufräumt – und dies zugleich aus der Perspektive einer nicht binären Person, die seit Jahren in feministisch-aktivistischen Kreisen tätig ist (Funk Format „Auf Klo“, Aufklärungsbuch „Sex und so“).

Aus meiner Sicht hätte es noch zu einer besseren Balance beigetragen (die Autor*innen selbst erwähnen „false balance“ als Problem journalistischer polemische Berichterstattung), wenn neben dem Gespräch mit dem Endokrinologen Achim Wüsthof auch dargelegt worden wäre, wie schwer und langwierig es ist, überhaupt erst einen Termin bei einer*m solchen Fachärzt*in zu bekommen (und was die Fragen dieser Fachärzt*innen für trans Personen bedeutet und die spürbare Abhängigkeit des Wohlwollens des*der Ärzt*in, sowie mögliche (Re)Traumatisierungen).

Hands-On

Gerade aber mit den Übungen und Reflexionsfragen zum Ende der Kapitel schafft es das Buch sehr gut, den Blick der Leser*innen auf sich selbst zu legen. Was führt bei mir zu Widerständen oder Fragen und woran kann es liegen? So wird dort angesetzt, wo jede*r am einfachsten etwas zur Änderung beitragen kann: bei sich selbst.

Queere Kinder. Eine Orientierungshilfe für Familien von LGBTQIA+ -Kindern und -Jugendlichen. Verena Carl und Christiane Kolb, 2023

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