Ein Bilderbuch aus Estland für alle ab 4, “die einmal für ihre Eltern ganz brav sein wollen”, soweit das Cover. Lena und Oskar haben lang geschlafen und verbringen den Tag mit ihrer (nur körperlich ein bisl präsenten) Oma. Gleich beim Aufwachen beschließen sie heute ganz brav zu sein und so den Erwachsenen viel Freude zu bereiten: Sie räumen auf, putzen sich und die Wohnung, sie saugen, waschen, schrubben, spülen und backen obendrein noch eine Torte. Als krönenden Abschluss malen sie ein Traum von einem Bild – in das Lieblingsbuch von Mama oder von Papa, man weiß es nicht.
Als diese heimkommt, trifft sie fast der Schlag. Die Wohnung ein Chaos, die Küche versinkt im Mehl, die Kleidung voller Flecken, die Torte ungenießbar, Mama (und Papa vielleicht auch) den Tränen nah.
Was ist gut am Leben mit Kindern, was schlecht, was unaushaltbar und wie kommt man mit Tagen wie diesen zurecht, an denen sich die ganze Welt gegen einen verbündet hat. Diese Fragen wirft das Buch ab dem Zeitpunkt auf, wo die Eltern nach Hause kommen und sich auch grafisch der Blick wendet. Was vorher bunt, fröhlich und lebhaft war, wird nun eintöniger, fleckig und dreckig.
Eltern und Kinder – ein Leben, zwei und noch mehr Seiten der gleichen Story. Ja, es ist oft hart, nervig und unpackbar anstrengend, aber auch solche Tage gehen vorbei. An der Liebe kann man sich festhalten, vor allem an der zu den eigenen Kindern. Gelassenheit, Stress-Resistenz und Nerven aus Stahl kommen auch irgendwie mit der Zeit oder müssen eben erarbeitet werden (ich bin dran!).
Fazit: Schönes Buch, grafisch wunderbar differenziert gestaltet, toughe, so lustige Kinder, nur der Vater ist mir zu sehr abwesend (daher 95% realitätsnah). Ein Bilderbuch wieder einmal vor allem auch für Erwachsene. Weil es gut tut, die Seiten zu wechseln, sich an die eigene Kindheit zu erinnern und den Blick dafür zu schärfen, wie Kinder eigentlich die Welt sehen (Spoiler: nämlich vor allem mit liebevoller Hingabe).
Indrek Kopf, Ulla Saar: Einen Tag ganz brav (Kullerkupp)
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