Alle Kinder: Ein Lieblingsbuch der Schadenfreude.

allekinder_1Könnt ihr euch noch an die alten Spielplatzwitze erinnern? „Allen Kindern steht das Wasser bis zum Hals. Außer Rainer. Der ist kleiner.“ 26 dieser bitterbös-gemeinen Sprüche haben Anke Kuhl und Martin Schmitz-Kuhl zusammen mit ihren Kindern Julie und Lasse gesammelt, zum Teil weiterentwickelt und illustriert. Herausgekommen ist ein unglaublich herausragend-großartig-böse-gemeines Buch, das in unserem vor knapp zwei Jahren mal unter den Weihnachtsbaum gewandert ist und seitdem mindestens einmal pro Woche herausgeholt, angeschaut, leise und laut gelesen und in unterschiedlichsten Situationen von den Kindern vergleichend erwähnt wird („Pass auf, sonst geht’s dir wie bei…!“). Mit Fug und Recht darf ich sogar behaupten, dass unsere Jüngere mit diesem Buch anfing, erste Sätze selbst zu lesen.

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Interessant: Obwohl es vielleicht zunächst nicht den Eindruck macht, besonders tiefsinnig zu sein, lädt dieses bild- und spruchstarke Buch zu ausgiebigen Diskussionen über menschliches Verhalten, über Richtig und Falsch, über Leben und Tod ein. Unsere Kinder haben, angestoßen von den „Alle-Kinder“-Darstellungen, schon spannende Moraldebatten geführt. Sie wandeln beim Wiederlesen Sätze ab, die sie zu fies finden, so heißt es zum Beispiel auf der Lotte-Motte-Lästerseite bei ihnen fast immer: „Alle Kinder haben DOOOOFE Kostüme. Außer Lotte, die ist Motte!“, und die Y-Seite mit dem von den „Alle-Kindern“ im Klohäuschen eingesperrten Yves darf nicht gelesen werden, denn „das ist echt Mobbing, das ist zu fies!“. Dass sich die „Alle-Kinder“ auf der Torben-Gestorben-Seite des Lebens freuen, finden die Kinder im Hause manubloggt richtig und gut, denn „das Leben geht eben weiter“, und warum das eine Kind auf der „Hagen-Getragen“-Beerdigungsseite so dämlich grinst, ist auch immer wieder Gesprächsanlass, denn: „Vielleicht hat der nicht verstanden, dass Hagen wirklich tot ist.“ „Oder das ist ein Mitläufer, der gar nicht kapiert hat, dass die zum Friedhof gehen.“ „Oder der freut sich, das Hagen tot ist.“ -“Aber dann der doch nicht zu der Beerdigung gehen!“ „Oder er muss einfach grinsen, weil man manchmal bei ganz heftigen Gefühlen grinsen muss.“ „Und außerdem kann man auch, wenn man im Herzen traurig ist, mal an was Schönes denken und lachen, das ist sogar wichtig!“

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Für ab circa knapp 5 Jahren, die das, was sie lesen, nicht 1:1 für bare Münze nehmen, sondern „um die Ecke denken“ und hinterfragen.

Bechdel-Test:
Mit dem Bechdel-Test habe ich bei dem Buch so meine Probleme, denn genau genommen redet da ja niemand mit jemand anderem. Wie soll ich das bewerten? Bei den Kindern, denen etwas “zustößt”, liegt das Verhältnis bei 9 Mädchen zu 17 Jungs. Die morbide-charmanten Illustrationen bilden stets eine gemischte Kindergruppe mit teilweise nicht zuordenbaren, teilweise geschlechtszugewiesenen Kindern ab (in der Tat, es gibt auch ein Bild mit nackten Kindern, oh! mein! Gott!), und zumindest auf einigen Seiten haben auch nicht alle Kinder die gleiche hellrosaweißliche Hautfarbe.

Übrigens: Abgesehen davon, dass das Buch an sich meiner Meinung nach in seiner schadenfroh-böshumorigen Art schaurig-empfehlenswert ist, gefällt mir, dass es vor Ort in Deutschland gedruckt wurde und von Anfang an nicht total krass stank, was ich leider auch bei Kinderbüchern immer häufiger erlebe. Und, Praxistest: Nach fast zwei Jahren extrem regelmäßigen Drinlesens und Anguckens, der Mitreise zu verschiedenen Unternehmungen von Vorschulgruppe, Schule und Großelterngedöns sieht es immer noch prächtig aus. Echt klasse.

Anke Kuhl und Martin Schmitz-Kuhl: ALLE KINDER, ein ABC der Schadensfreude. Leipzig: 2011, Klett-Kinderbuch.

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