Ergänzung 1: Die Verwendung des Begriffs Scheide statt (richtigerweise) Vulva ist vielleicht der Übersetzung geschuldet. Diese Ungenauigkeit in der Begrifflichkeit stört im Kontext eines Aufklärungsbuch allerdings etwas. Danke für den Hinweis!
Ergänzung 2: Im Buch geht es um eine (weiße) Familie: Vater, Mutter, Kind. Wer diversere Realitäten abseits von Cis-Zuschreibungen sucht, wird sie im Buch nicht finden. Auch danke für diese Rückmeldung.
“Ich wolle auch ein Baby!” So beginnen momentan viele Sätze unseres Kindes, das konkrete Vorstellungen davon hat, wann (“Sehr bald!”) und was da (“Eine Schwester!) zu kommen habe. Daher wundert es auch nicht, dass wir das aktuelle Ein-Baby-kommt-Kinderbuch zum Rezensieren abgestaubt haben.
Was wir sehen, gefällt uns. Empfohlen wird das Buch ab ca. 5 Jahren, erzählt und beschrieben werden neben Entstehung, Sex, Besuch bei der Gynäkologin, wie das Baby wächst und im Bauch versorgt wird, auch Geburt und Komplikationen im Laufe einer Schwangerschaft. Wehen, Schmerzen bei der Geburt, unterschiedliche Familienkonstellationen, künstliche Befruchtung und die Hausgeburt haben ebenfalls Platz bekommen, und – was uns alle am meisten berührt – eine Totgeburt. Die von Jonas nämlich, dem Bruder von Ben, ein Freund der Erzählerin Maxi, der am Tag seiner Geburt gestorben ist.
Da dieses Thema – wie viele andere auch – “nebenbei”, jedenfalls aber recht unkompliziert im Laufe der Erzählung angeschnitten werden, verliert es irgendwie einen Teil seines unendlichen Schreckens und macht somit Ereignisse sichtbar, die im Laufe einer Schwangerschaft leider eben auch passieren können. Dieses und anderen Themen wie die Trauer über den Verlust von Jonas, die Frage, wo er jetzt ist, die Geburt zuhause mittels Betreuung durch eine Hebamme oder die Sache mit den zwei Müttern wird mühelos in die Geschichte eingebettet. Somit wird es ebenso Teil des Narrativs über Kinder kriegen, wie viele andere, eher alltägliche Dinge, die in ein Aufklärungsbuch gehören.
Ich finde es jedenfalls schön, dass dem Tabu-Thema Totgeburt in einem Kinderbuch Raum gegeben wird. Sehr einfühlsam und empathisch. Weitere philosophische Fragen runden die Gedankengänge von Maxi ab und zeichnen so ein vielfältiges Bild der “Wir bekommen ein Baby”-Sache. Das echte Ultraschallbild gehört da ebenso dazu wie die detailierte Beschreibung von Sex und dass es sich einfach schön anfühlt (Mama: “Das haben wir öfter”). Oder dass das Baby von selber weiß, wann es Zeit ist rauszukommen, oder wie das sein kann, dass durch die Scheide ein Baby passt.
Die meisten angesprochenen Themen setzt die Ich-Erzählerin Maxi in Bezug zu sich selbst, was dem Ganzen einen feinen, kindgerechten Ton verpasst.
Jedenfalls ein Kinder-Aufklärungsbuch, das wir empfehlen können. Nah an der Realität mit viel Output zum Diskutieren für alle, die sich in den Bildern und Texten wiederfinden können. Wir beschäftigen uns aktuell immer wieder damit – das Kind ist 3, mag die Zeichungen und will bestimmte Passagen regelmäßig vorgelesen kriegen. Wir wählen dann bewußt bestimmte Abschnitte aus, lassen andere weg und liefern dazu altersadäquate Erklärungen, die es zum Teil als Ergänzung für dieses Alter braucht.
Bette Westera & Julia Dürr: “Schokostreuselgross – Ein Baby in Mamas Bauch” (Gerstenberg), 18€