Ich möchte euch hier ein paar abenteuerliche Bücher mit ziemlich coolen Mädchenfiguren für Leser_innen ab ca. 11 vorstellen, die ich in den letzten Monaten verschlungen habe. Es sind auch zwei Fantasy-Romane dabei, zum ersten ist das „Willa of the Wood“.
Willa gehört dem Volk der Faeran an und ist eine der letzten, die noch
die magische Sprache des Waldes beherrscht. Sie lebt mit ihrem Volk in
einem versteckten Bau im Wald, nachts zieht sie mit den anderen Jaettern
aus, die für ihren Anführer, den Padaran, stehlen, was sie ergattern
können.
Willas Eltern sind vor einigen Jahren gestorben, nur noch ihre Großmutter lebt mit ihr in der kleinen abgelegen Höhle im Bau.
Willa, wie auch alle anderen Kinder der Faeran, hat gelernt, dass die Tagvolk-Menschen Feind_innen sind, die den Wald zerstören und alle Faeran und die Tiere des Waldes töten wollen. Doch als Willa bei einem ihrer nächtlichen Raubzüge Bekanntschaft mit Nathaniel, einem Tagvolk-Mann macht, gerät sie ins Zweifeln. Und als sie schließlich im gesperrten Teil des Faeran-Baus einen eingeschlossenen Menschen-Jungen entdeckt, weiß sie, dass der Padaran nicht die Wahrheit sagt und dass sie herausfinden muss, was im Wald vor sich geht.
Willa hat oft Angst, zweifelt und wünscht sich nichts sehnlicher als eine Familie, in der sie sich sicher fühlen kann. Trotzdem schafft sie es, den Weg zu gehen, den sie für richtig hält. Sie hat mit Rückschlägen zu kämpfen, braucht die Hilfe anderer und zeigt uns, dass es nicht genügt, eine Einzelkämpferin zu sein, sondern dass wir in einer solidarischen Gemeinschaft, selbst wenn sie klein ist, viel mehr erreichen und vor allem, viel glücklicher sein können.
Solidarität ist auch in „Josis wilde Welt“ ein wichtiges Schlagwort. Josi lebt mit ihrem Vater in einem eher heruntergekommenen Kiez, in dem aber immer was los ist. Sie fährt mit ihrem Skateboard durch die Gegend, sitzt mit ihrem Papa Thorsten auf dem Dach und sinniert übers Leben oder besucht Frau Bulette im Broilergrill. Aber dann taucht plötzlich ein seltsamer Neuer auf, Frau Bulettes Broilergrill soll geschlossen und das ganze Haus in ein schickes Bürogebäude umgebaut werden, und zu allem Übel bemerkt Josi, dass auf ihrem Dach eine Kamera angebracht ist.
Aber Josi wäre nicht Josi wenn sie sich nicht Kopf über in die Ermittlungen stürzen und das ganze Viertel dazu motivieren würde, den Broilergrill zu retten. Der Neue, Jonas, entpuppt sich nicht als das Ekel, das Josi erwartet hat, auch wenn sein Geheimnis eine ziemlich große Sache ist.
In erster Linie gehts in „Josis wilder Welt“ um Gentrifizierung, aber auch um Zusammenhalt, Klassenunterschiede und Familie. Uticha Marmon hat einen unterhaltsamen und anspruchsvollen Roman geschrieben, der zum Nachdenken über die Verhältnisse anregt.
„Frostsplitter“, der zweite Fantasy-Roman in meiner Auswahl, erzählt ein spannendes, eher düsteres Abenteuer.
Eigentlich sollte Sabiras älterer Bruder Kyran den Berg bezwingen und einen Frostsplitter für sich aus dem Gletscher hauen, doch Kyran ist verschwunden. Also macht sich Sabira mit zwei Begleiter_innen auf die Suche. Doch der Berg macht es ihr nicht leicht. In einem Eissturm wird ihr Onkel Mihnir schwer verletzt und die Pristerin Tserah stirbt. Damit Tserahs Frostsplitter nicht das gleiche Schicksal widerfährt, bittet er Sabira, sich mit ihm zu verbinden. Nach einigem Zögern willigt sie ein, legt sich das Band mit dem Splitter um den Hals und rettet ihm so das Leben. Doch die Kommunikation miteinander müssen der fremde Splitter und Sabira erst noch lernen.
Die beiden müssen dem Berg entkommen, um nach Adranna zurück kehren zu können, und darüber hinaus auch noch Sabiras Heimatstadt vor dem Überfall durch die Soldaten der Ignataner_innen bewahren.
Das winterliche Abenteuerland ist mit märchenhaften Wesen bevölkert, zauberhaft und sehr gruselig zugleich. „Frostsplitter“ hat aber auch einen sehr realen Kern, es zeigt, welche Zerstörung Kriege anrichten, nicht nur mit Verletzung und Tod, sondern auch mit der Vernichtung gegenseitigen Vertrauens. Ein hartes Thema, das Jamie Smith aber kindgerecht aufgearbeitet hat – vielleicht für nicht gar zu sensible Leser_innen.
Das neueste Buch der vier vorgestellten Romane ist „Ein unvorstellbar unsinniges Abenteuer“ von Katherine Rundell, das soeben (Herbst 2020) erschienen ist. Vita und ihre Mutter fahren mit dem Schiff nach New York, um den Großvater, der alleine in einer kleinen Wohnung lebt, nach Hause zu holen. Seit seine Frau Lizzy, Vitas Großmutter, gestorben ist und er seine Burg, die er mit Lizzy bewohnt hat, verloren hat, ist er nicht mehr der lebenslustige, aktive Mann, den Vita gekannt hat, sondern grüblerisch und ernst. Nur manchmal, wenn er sich mit Vita unterhält, blitzt der Humor von früher durch. Als Vita herausfindet, dass der Betrüger Victor Sorrotore den Großvater unrechtmäßig um seine Burg gebracht hat, weiß sie, dass sie etwas unternehmen muss. Alleine kann sie die Burg nicht zurück holen, auch weil sie aufgrund einer Kinderlähmung Probleme mit dem linken Bein hat, das bei großer Belastung schmerzt. Also schmiedet Vita gemenisam mit Silk, der (unfreiwilligen) Taschendiebin und talentierten Schlossknackerin, Samuel, dem Jungen, der fliegen kann, der aber wie sein Onkel beim Zirkus Pferde dressieren soll und Arkadi, der mit allen Tieren sprechen kann, einen unvorstellbar unsinnigen Plan.
Katherine Rundell schafft es, in einem spannenden und unterhaltsamen Abenteuerroman schwere Themen, wie Rassismus und Armut für Kinder verständlich darzustellen und zu zeigen, wie gegenseitige Unterstützung möglich sein kann. Sie macht deutlich, wie schwer die Erwartungen der Familie auf Kindern lasten kann und wie es gelingen kann, für sich und andere einzustehen. Was mir besonders gut gefallen hat: Das Buch ist eines von sehr wenigen mir bekannten Kinderbüchern mit einer Heldin, die eine (Geh-)Behinderung hat und bringt diese zur Sprache, ohne sie in den Mittelpunkt zu stellen.
Katherine Rundell: „Ein unvorstellbar unsinniges Abenteuer“ Carlsen 2020, 272 S., 15,50 Euro, ab 11 Jahren
Jamie Smith: „Frostsplitter“ Carlsen 2019, 304 S., 16,50 Euro, ab 11 Jahren
Uticha Marmon: „Josis Wilde Welt. Mit Skateboard und Spion auf geheimer Mission“ Planet! 2019, 256 Seiten, 13,40 Euro, ab 10 Jahren
Robert Beatty: „Willa of the Wood“ Fischer 2019, 448 Seiten, 16,50 Euro, ab 11 Jahren