Wir machen Aktivismus.


“Our house is on fire”, fasste Greta Tunberg die aktuelle Lage unserer Erde passend zusammen. Die Klimakatastrophe ist unmöglich zu leugnen, im wahrsten Sinne des Wortes häufen sich in den letzten Jahren katastrophale Brände (Australien, USA, Europa), Unwetter wie Tornados und starke Regenfälle passieren nicht mehr nur “weit weg” und auch die Corona hat einiges an Schieflagen aufgezeigt – sowohl global, als auch regional.

Bücher können Mut machen. Mut machen anzupacken, hinzuschauen oder neue Perspektiven einzunehmen. 

Die Zukunft gehört uns

Etwas das mitunter sehr viel Hoffnungslosigkeit verursacht ist der Umstand, dass die Entscheidungen der heutigen Generation den größten Impact erst in einigen Jahren haben wird. Wer also heute in politischen Machtpositionen sitzt, oder Personen in diese Ämter wählen darf, wird die vollen Ausmaße gar nicht mehr erleben. Wenn aktuell wieder über Atomkraftwerke gesprochen wird, als mögliche Energiequelle, dann werden die massiven Kosten, nämlich nicht vermeidbarerer und abbaubarer Atommüll einfach ignoriert. 

Umso ermutigender kann es daher sein, den Blick bewusst auf Geschichten und Projekte zu richten, in denen junge Menschen Probleme lösen – und sei es nur auf der Mikroebene in ihren Communities.

“Die Zukunft gehört uns. 12 wahre Geschichten über Kinder, die sich für eine bessere Welt einsetzen” ist ein Bilderbuch das genau das tut. Auf 32 ansprechend illustrierten Seiten werden die Ideen und Projekte 12 Jugendlicher vorgestellt. Auf der Überblicksseite sticht dabei bereits positiv hervor, dass es nicht nur weiße, privilegierte, nicht behinderte Personen sind und auch keine Geschichten von white saivorism. Generell sind eher unbekannte (oder zumindest mir unbekannte) Personen, was auch bewusst macht, dass es abseits der bekannten Gesichter des jungen Aktivismus Möglichkeiten gibt. Die Auswahl der Personen und Geschichten bildet daher eine diverse Gesellschaft ab. Jedem Projekt ist im Buch eine Doppelseite gewidmet auf denen jeweils ein kurzer Steckbrief zu Person und Projekt ist (auf der Überblicksseite werden die Jugendlichen nur beim Vornamen genannt, im Steckbrief wird aber auch ihr Nachname genannt. Es ist eine Kleinigkeit, aber bei Erwachsenen käme kaum jemand auf die Idee nur von Olaf aus Deutschland oder Angelina und Bill aus Amerika zu sprechen). Die Illustrationen füllen jeweils die Doppelseiten und zeigen Szenen aus dem Projekt. Obwohl es 12 unterschiedliche Orte und Anliegen sind kann man so wunderbar eintauchen und viele Details entdecken. 

Auf der Textebene wäre Luft nach oben. Einige Behauptungen klingen zwar plausibel, aber beliebig zugleich (zb Seite 6 “Alle Menschen können einsam werden, aber alte Leute sind besonders betroffen.”). Grundsätzlich überwiegt aber der positive Eindruck und mit einem Vorlesealter ab 5 Jahren ist es auf jeden Fall ein schöner Ausgangspunkt, um über Herausforderungen unserer Welt zu sprechen. 

Generation Hope

Konkrete Tipps wie man im Kleinen für eine bessere Welt sorgen kann gibt “Generation Hope. Wie wir gemeinsam die Welt verändern.”. Auf 155 knallbunten Seiten werden gesellschaftliche, politische und globale Herausforderungen thematisiert und Strategien damit umzugehen vorgestellt. Um die Themen greifbarer zu machen und die Möglichkeiten des*der Einzelnen nicht zu aussichtslos werden junge Persönlichkeiten -alle unter 20 (Seite 8)- kurz portraitiert. Hier wird etwas auf Masse statt Qualität gesetzt und die einzelnen Personen gehen etwas unter. Das Buch verzichtet gänzlich auf Fotos und vereinzelt sind Illustrationen von Personen zu finden. Ob das gefällt ist schlussendlich eine Geschmackssache und hast vermutlich mit Bildrechten zu tun. Was auf jeden Fall hinterfragt werden kann ist, der Titel unter dem die Aktivist*innen (alle unter 20, aber viele zwischen 15 und 20) vorgestellt werden: “Kids legen los”. 

Diese Formulierung spielt sowohl die jungen Menschen herunter, als auch deren Impact (ganz unabhängig davon, ob sie 2013 – Lyla-Rose O’Donovan -, oder 2001 – Hailey Hardcastle – geboren wurden. Beides Seite 90.).

Individualisierung struktureller Probleme 

Was das Buch aber am Ende widersprüchlich bis problematisch macht ist, dass es die Lösung aller Probleme auf eine Änderung des individuellen Verhaltens zurückführt. Auf den Seiten 100 bis 105 wird unter “Hoffnung statt Hass” unter anderem beschrieben, dass in den USA  Jugendliche Angst vor Amokläufen  an Schulen haben und sich deswegen Bewegungen wie “March for Lives” formiert haben. Das zugrundeliegende System-Problem – Waffengesetze in den USA – wird dabei nicht erklärt, oder auch dass hier eine Änderung der Gesetze für mehr Sicherheit sorgen könnte. Stattdessen werden zwei Seiten weiter “25 Aktionen für den Frieden” aufgezählt, bei denen ein Punkt banaler als der nächste klingt. Natürlich kann es helfen zu akzeptieren, dass Menschen unterschiedliche Meinungen zu einem Thema haben (Punkt 1), aber wieviel das Posten eines inspirierendes Zitat auf Social Media oder das Lernen einer Fremdsprache durch das schauen eines Filmes mit Untertitel zum Frieden beiträgt erscheint fraglich.  

Trage ein T-Shirt mit einer Botschaft. die Frieden oder Hoffnung vermittelt (Seite 104)

Auch bei Problemen wie dem Umgang mit Ressourcen wie Wasser (Seite 94-99) wird mit keinem Wort die Lebensmittelindustrie, oder andere Zweige, erwähnt, die einen großen Beitrag zum ungleichen Zugang zu Wasser leisten. Stattdessen findet man auch hier wieder Tipps die sich rein um Individualentscheidungen drehen und gar um nicht kontrollierbare Grundbedürfnisse, wie den Stuhlgang und das Urinieren (-wenn es “gelb ist lass es stehen, wenn es braun ist kann es gehen”).

Natürlich ist es wichtig auf das eigene Verhalten zu schauen, zumal es auch eine finanzielle Entlastung sein kann, nicht drei Mal die Woche ein Vollbad zu nehmen, das Licht auszuschalten, wenn man den Raum verlässt und stoßzulüften, wenn im Winter geheizt wird. Man kann nun argumentieren, dass die Veränderungen innerhalb des Haushalts und des eigenen Alltags für Kinder nachvollziehbar sind und die globalen Zusammenhänge sehr abstrakt sind. Doch um wirklich etwas verändern zu können muss ich wissen wie der Tropfen auf dem heißen Stein ist um in weiterer Folge größere Veränderungen zu fordern. (Außerdem sind wir beim Thema in Großmengen kaufen schnell bei der Klassenfrage, von wieviel Geld habe ich in welchem Zeitraum zur Verfügung und geht sich davon auch eine Bambuszahnbürste aus. Selbst wenn man in Erwägung ziehen würde, nicht zu spülen nach dem Urinieren, es ist leichter möglich, wenn ich die Toilette alleine nutze und mir nicht mit vielen eine Wohngemeinschaft teile.) 

Wir machen Zukunft 

Ein gelungeneres Buch, für eine ähnliche Zielgruppe (Lesealter ab 10 Jahre), ist “Wir machen Zukunft”. Wie bereits bei “Die Zukunft gehört uns. 12 wahre Geschichten über Kinder, die sich für eine bessere Welt einsetzen” wird auf den ersten Blick sichtbar, dass die 14 Portraits nicht nur einen europäischen Blick auf Klima und brennende Herausforderungen und Ungleichheiten wirft, sondern eine globalere Perspektive abbildet. Neben der Klimakatastrophe, wird ungleicher Zugang zu Bildung, Korruption und staatliche Kontrolle verständlich aufbereitet. Es wird auch innerhalb der Kapitel auf andere verwiesen – so etwa wird bei Anuna De Wever (Seite 33) erklärt, dass Anuna es ablehnt auf ein Geschlecht festgelegt zu werden und dass im Kapitel zu Jazz Jennings (Seite 112ff.) mehr zur gesellschaftlichen Konstruktion von Geschlecht steht. 

Neben den Portraits und den jeweils gesetzten Aktionen und Projekten werden die Problemstellungen ausführlich dargestellt. Die jeweiligen Kapitel sind farblich voneinander abgesetzt und es gibt eine Vielzahl veranschaulichender Fotos.

Gut gemeint – besser als nichts? 

Bei Sachbüchern führt mich persönlich am Ende wieder alles zum sehr treffenden Satz “Wenn man ein Kinder[sach]buch schreibt, gelten in Bezug auf die Fachkenntnisse und die inhaltliche Auseinandersetzung des Autors oder der Autorin die gleichen Maßstäbe, wie wenn man ein Sachbuch für Erwachsene schreiben würde.” (Stefan Schmid-Heher, in “DIVERSE KINDERBÜCHER – Der Podcast. Episode 7: Politische Bildung. Im Gespräch mit Stefan Schmid-Heher”, 24. August 2021) zurück. 

Auch wenn bei allen drei Büchern ein löbliches Vorhaben zu erkennen ist, darf man nicht vergessen auch zu fragen, was sie nicht thematisieren und damit ausblenden (und dennoch erzählen). Glücklicherweise gibt es mittlerweile viele Bücher zum Thema Umwelt und Zukunft und so kann daraus ausgewählt werden und sie können einander ergänzen.

Die besprochenen Bücher

Loll Kirby (Illustrationen: Yas Imamura) 2021: Die Zukunft gehört uns. 12 wahre Geschichten über Kinder, die sich für eine bessere Welt einsetzen. Insel Verlag, 17,50 (Hardcover)

Kimberlie Hamilton 2021: Generation Hope. Wie wir gemeinsam die Welt verändern. Dressler, € 14,00

Julieta Cánepa und Pierre Ducrozet 2021: Wir machen Zukunft! Gabriel Verlag, € 15,00


Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.