Weltgeschichte für junge Leserinnen

Ute Daenschel und Kerstin Lücker haben es sich zur Aufgabe gemacht, ein Buch zu schreiben, in dem sie das nie vollendete Puzzle der Weltgeschichte um einige fehlende Teile, nämlich um sämtliche weibliche historische Schlüsselfiguren, ergänzen. Ganz bewusst haben sie keine „Weltgeschichte der Frauen“ geschrieben, vielmehr wollen sie sichtbar machen, dass Frauen selbstverständlich ein Teil jener Weltgeschichte sind, die uns gleichermaßen alle angeht. (Warum das Buch dann ausgerechnet „Weltgeschichte für junge Leserinnen“ heißt, ist nicht nachvollziehbar. Schließlich betrifft sie doch genauso auch (junge) Leser.)

Die Strategie, der Männer, die an die Frauen auszulöschen, ging durchaus auf. Das Vergessen hat sich im Laufe der Geschichte wie ein Schleier über das und Wirken von Frauen gelegt hat. Dieser wurde in den letzten Jahrzehnten allmählich ein bisschen gelüftet. Die fehlenden Puzzleteile der Weltgeschichte, die die Autorinnen recherchiert, zusammengetragen, aufbereitet und eingewebt haben, handeln zum einen von einzelnen historischen Frauenfiguren (zum Beispiel von der chinesische Kaiserin Wu Zheitan (690 n. Chr.), die ihr Reich gegen Angriffe verteidigte und sich um Wohlstand und im inneren bemühte) aber auch von Frauengruppen (zum Beispiel von den Römerinnen, denen die ihnen gemachten Vorschriften nach den punischen Kriegen nicht gefielen. Sie konnten nicht selbst vor den Senat treten und Beschlüsse fordern und so platzierten sich vor den Zugängen des Forums Romanums und sprachen jedes Senatsmitglied an, um Unterstützung für ihr Anliegen zu gewinnen).

Schade und eben so wenig schlüssig wie der Titel ist dass ein Buch, dass sich der Sichtbarmachung von Frauen in der Geschichte annimmt, sie sprachlich unsichtbar macht. Es wird durchwegs auf das generische Maskulinum zurückgegriffen. Kurz wird im Kapitel „Unsere Gegenwart“ auf Sprache eingegangen:

„Judith Butler schrieb, in dem die Sprache auf der einen Seite eine Gemeinsamkeit behauptet, vernachlässigt sie auf der anderen Seite individuelle und kulturelle Unterschiede. Seither wird viel darüber gestritten, wie wir angemessen über Frauen und Männer sprechen können. Das ist kompliziert – Gender Trouble.

So kompliziert ist es aber nun wirklich nicht, in einem Buch, in dem es um Frauen geht, auch über Frauen zu schreiben und sie nicht nur mitzumeinen.

Ein weiterer und besonders schwerwiegender Kritikpunkt ist, dass das Buch aus einer rein kolonialen Perspektive geschrieben ist. Das wird an Beispielen, wie wenn von der „Entdeckung Amerikas durch Kolumbus“ geschrieben wird oder in Stellen wie „Der afrikanische Kontinent war für die Menschen bis dahin noch bis dahin noch Terra ingocgnita: unbekanntes Land“ deutlich. Die Geschichte aller Kontinente, die nicht Europa sind, beginnt mit der „Entdeckung“ durch die Europärer_innen, was historisch nicht haltbar ist.

Nun kenne ich leider keine diesbezüglich empfehlenswerte deutschsprachige Alternative für diese Zielgruppe und würde das Buch unter Vorbehalt als eine Ergänzung zu herkömmlichen Geschicht(schul)büchern, in denen die Beiträge von Frauen schlicht gar keinen Platz haben, empfehlen.

Kerstin Lücker, Ute Daenschel: Weltgeschichte für junge Leserinnen (Kein & Aber)

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