„Schamlos“: Jungfernhäutchen, Hidschab und Mental Health

Grandiose Covergestaltung. Einmal mit Gesichtsverhüllung…
… unter der sich der feministische Mittelfinger verbirgt, der in alle Richtungen zeigt. Die mitgenommenen Buchecken beweisen, dass mich das Buch lange und intensiv beschäftigt hat.

Drei junge norwegische Feministinnen schreiben gegen Rassismus, Patriarchat und negative soziale Kontrolle an und thematisieren die Zerrissenheit, die sie empfinden, weil sie es weder der norwegischen Mehrheitsgesellschaft noch ihren muslimischen Familien recht machen können.

#LiebeSchwester

In den letzten Monaten sind einige explizit feministische großartige Sachbücher erschienen, die sich an Jugendliche richten (zum Beispiel Ene, mene, Missy; How to be a girl; Feminismus). Schamlos beeindruckt und begeistert auf einer weiteren Ebene massiv. Das Besondere an diesem Buch: Es lässt junge Frauen zu Wort kommen, deren Perspektiven sonst nur selten beleuchtet werden. Frauen über die wenig gesprochen wird, oder eigentlich noch viel schlimmer: denen kaum noch jemand zugehört hat.

Nancy Herz, Sofia Srour und Amina Bile sind Muslimas, Bloggerinnen und Feministinnen. In ihrem Heimatland Norwergen haben sie via Social Media eine Bewegung gestartet. Sie sind „Die schamlosen Mädchen“. Ihre Agenda: Eine offene und schonungslose Auseinandersetzung mit Schamkultur und dem was sie als „negative soziale Kontrolle“ bezeichnen.

Negative Soziale Kontrolle ist die Summe aller Maßnahmen, die uns daran hindern, unser so zu Leben, wie wir wollen. 

Das Buch besteht aus gesammelten Erfahrungsberichten, Essays und Gesprächsprotokollen (und nicht zu vergessen stimmigen Illustrationen) zu Themen, die tabulos diskutiert werden müssen: angefangen vom Mythos des Jungfernhäutchens über die Erfahrungen die junge Muslimas im Zusammenhang mit Schwimmunterricht und den Hidschab gemacht haben, bis hin zu Mental Health und ganz wichtig: Warum es notwendig und alternativenlos ist, auch junge in die schamlose Bewegung einzubinden.

Was dabei herausgekommen ist, ist eine knallharte und ultrakluge, durchaus humorvolle und immer feministische Abrechnung. Einerseits mit der rassistischen, misogynen Gesellschaft, in der die drei leben, andererseits mit den nicht minder einschränkenden Zwängen und der patriachalen Dominanz, denen sie durch ihre muslimischen Familien ausgesetzt sind. Konkrete Lösungsvorschläge haben sie einige in petto, doch erst einmal: Hört zu was diese Mädchen wichtiges zu sagen haben.

Ich schließe mich Nancy Herz’ Wunsch an: 

Es wäre natürlich toll, wenn das Buch auch von Erwachsenen und von Jugendlichen ohne sogenannten Migrationshintergrund gelesen würde. Zum einen, weil wir Teil dieser Gesellschaft sind und es eine wichtige Voraussetzung ist, dass alle die Probleme kennen, wenn es darum geht, Lösungen für alle zu finden.


Lest dieses Buch!

Amina Bile, Sofia Nesrine Srour, Nancy Herz: Schamlos
Illustrationen von Esra Røise
Aus dem Norwegischen von Maike Dörries
168 Seiten, 15 Euro,
Gabriel 2019

4 thoughts on “„Schamlos“: Jungfernhäutchen, Hidschab und Mental Health

  1. Auf einer Facebook-Seite wurde ich letzte Woche in eine Diskussion verwickelt: ich habe eine Pro-Kopftuchtragende-Lehrerinnen Aussage gemacht, da mir Vielfalt an Schulen in jeder Hinsicht wichtig ist. Außerdem kenne ich eine Frau die eine geniale Erzieherin ist, die aber in Deutschland nicht an einer öffentlichen Schule Unterrichten dürfte, da sie ein Kopftuch trägt. Was mich über die Kopftuch-Haters am meisten gestört hat, ist das es Frauen sind, die sich bisher noch nicht direkt mit muslimischen Frauen über diese Thema unterhalten haben. Daher finde ich dieses Buch gerade besonders wichtig um die Perspektiven der Betroffenen verstehen zu können.
    Also, danke für dieses Buch und eure Rezension.

  2. Auf einer Facebook-Seite wurde ich letzte Woche in eine Diskussion verwickelt: ich habe eine Pro-Kopftuchtragende-Lehrerinnen Aussage gemacht, da mir Vielfalt an Schulen in jeder Hinsicht wichtig ist. Außerdem kenne ich eine Frau die eine geniale Erzieherin ist, die aber in Deutschland nicht an einer öffentlichen Schule Unterrichten dürfte, da sie ein Kopftuch trägt. Was mich über die Kopftuch-Haters am meisten gestört hat, ist das es Frauen sind, die sich bisher noch nicht direkt mit muslimischen Frauen über diese Thema unterhalten haben. Daher finde ich dieses Buch gerade besonders wichtig um die Perspektiven der Betroffenen verstehen zu können.
    Also bin ich dankbar für dieses Buch und deine Rezension.

  3. Auf einer Facebook-Seite wurde ich letzte Woche in eine Diskussion verwickelt: ich habe eine Pro-Kopftuchtragende-Lehrerinnen Aussage gemacht, da mir Vielfalt in Schulen in jeder Hinsicht wichtig ist. Außerdem kenne ich eine geliale Erzieherin, die aber in Deutschland nicht an einer öffentlichen Schule unterrichten dürfte, da sie ein Kopftuch trägt. Was mich über die Kopftuch-Haters am meisten stört, ist, dass es Frauen sind die bisher noch nicht direkt mit muslimischen Frauen über dieses Thema unterhalten haben. Daher finde ich dieses Buch gerade besonders wichtig, um die Perspektive der Betroffenen verstehen zu können. Also bin ich dankbar für dieses Buch und deine Rezension.

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