Esther und Salomon

Diese Rezension hätte es fast nicht gegeben, denn ich habe versucht das Ende des Buches so lange wie nur möglich hinauszuzögern. Während ich Elisabeth Steinkellners letzten Roman “Papierklavier” verschlungen habe, um alles über Maja und ihre Freund*innen zu erfahren, wollte ich bei “Esther und Salomon” wirklich jede Nuance entdecken. Und davon gibt es viele. Und am liebsten würde ich hier eine Seite nach der anderen zitieren.

Gedanken zu Content Note

Zunächst möchte ich voranstellen, dass es meines Erachtens eine Content Note angebracht wäre. Das  Buch ist voll kurzer Momente schwereloser Höhen, aber auch einiger (ehrlicher) Tiefen. 
CN Tod von Elternteilen, Flucht, Suizid, Beschreibung von Waffengewalt, Krieg 
Die Notwendigkeit von Content Notes ist nichts Schlimmes und es ist auch keine Kritik am Inhalt, aber eine Reflektieren des Umstands, dass gewisse Themen und Beschreibungen für Leser*innen retraumatisierend sein können.

Eine Geschichte über den Sommer

Elisabeth Steinkellner erzählt die Geschichte eines Sommer mit Esther und Salomon. Und Flippa und Aisha. Und Flippa und Esther. Und Salomon und Aisha. Und Salomon, Esther, Flippa und Aisha. 

Aber auch von zerbrechenden Familien, sich entfremdeten Eltern, Liebe, Schmerz und Verlust. 

Flippa und Esther machen mit ihren, sich die meiste Zeit streitenden Eltern, Urlaub am Meer. Der Urlaubsort wird nicht näher benannt und auch die zeitliche Einordnung passiert erst sehr spät im Buch, wobei beides nicht weiter wichtig ist. Denn die Geschichte des zögerlichen und gleichzeitig Hals über Kopf Verliebens ist zeitlos. 

Am Strand begegnet der kleinen Flippa eines Tages Aisha und über diese lernen sich auch Esther und Salomon kennen. 

Die erste Hälfte des Buches erzählt Esthers Perspektive des Kennenlernens und Verliebens und des parallel verlaufenden Entfremdens der Eltern. 

Erzählform

Elisabeth Steinkellner tut dies in Sätzen, die teils in Bruchstücken und dann wieder fließend über die Seiten verteilt sind. Auf den ersten Blick erinnern sie an Gedichte. Jede Seite ein Gedicht. Das Erzähltempo ist dabei -im Gegensatz zu Papierklavier- entschleunigt.

Begleitet werden diese Sätze von Polaroid Fotos die die Sicht Esthers auf die widerspiegeln. Elisabeth Steinkellner selbst ist es, die diese Fotos machte.

Die Buchmitte markiert das Ende des Sommerurlaubs und die Abreise Esthers und Flippas. Die Geschichte folgt nun Salomon den Esther am Urlaubsort zurücklässt. 

Aus Salomons Perspektive wird nun erzählt, wie mit dem vermeintlichen Verlust umgegangen werden kann. Auch, ob es ein Verlust ist oder ob dem Impuls nachgegangen werden kann, den zu fassen anzurufen oder zu schreiben. Gleichzeitig bekommt man als Leser*in Einblick in noch größere Verluste die Salomon, Aisha aber auch die Mutter bereits erleben mussten. Es wird ohne Beschönigung die Geschichte einer Flucht nachgezeichnet und welche Spuren diese noch Jahre später in Salomons Leben hinterlassen.

Salomons Art Erinnerungen festzuhalten, sicher zu gehen Gesichter nie mehr zu vergessen, ist sie zu zeichnen. So werden die Sätze in der zweiten Buchhälfte von Bleistift- und Kugelschreiberzeichnungen und Zeichnungen mit Rötelstiften begleitet. 

Schwerelose Höhen und Realität

Esther und Salomon ist ein gefühlvoll erzählter Roman voll kurzer schwereloser Höhen und auch einiger rücksichtsloser Tiefen. Wie das Leben eben auch ist.

Es ist beeindruckend wie vorsichtig allerhand Themen in dieser vermeintlichen Liebesgeschichte Platz finden, ohne den Eindruck zu erwecken, dass es jetzt dann schön langsam reicht an “schwierigen Themen”. Das gelingt vor allem dadurch, dass sie glaubhaft wirken. Anstatt die Charaktere als übertriebene Held*innen ihrer Geschichte zu erzählen, die alle Herausforderungen bravourös meistern, überwinden und hinter sich lassen, werden sie eher als Päckchen geschildert, die viele mit sich tragen und die mal mehr und dann wieder weniger Einfluss auf den Alltag haben. Aber eben auch, wie man damit leben, lieben und fassen kann.

Elisabeth Steinkellner (Text und Fotos, Illustrationen: Michael Roher) 2021: Esther und Salomon, Tyrolia, € 19,95 (Hardcover)

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