Was wäre ohne Armut?

Kinder und Jugendliche haben Fragen zu den unterschiedlichsten Dingen – so auch rund um den Themenkomplex, warum die einen reich und die anderen arm sind. In diesem für junge Leser_innen ab ca. 12 Jahren auch optisch sehr ansprechend gestaltetem werden anonym Fragen gestellt und Ärzt_innen, Politiker_innen, religiöse Würdenträger_innen, Unternehmer_innen, Wissenschaftler_innen, Künstler_innen, Sportler_innen, Arme und Reiche und auch viele Jugendliche antworten.

Haben Sie Mitleid mit Armen?
Sind Sie schon als Kind reich gewesen?
Was wäre ohne Armut?
Muss man Armen helfen?
Wie fühlt sich an?
sind nur einige Beispiele der Fragen, die allesamt ihre Berechtigung haben; manche davon werden sehr konkret beantwortet, andere streifen eher philosophische (Un)Tiefen.

Viele Fragen richten sich dezitiert an von und Ausgrenzung Betroffene, wie zb.
Wie fühlen sich Kinder in Armut?
Warum haben Obdachlose oft einen Hund?
Was machen Sie, wenn sie krank sind?
Von wo bekommen Sie Essen?

Die für mich langweiligsten, weil von kapitalistischer Moral nur so triefende Antworten kommen von Politiker_innen oder religiösen Amtsträger_innen. So wundert es mich, wenn in diesem mit keinem Wort das System, in dem wir leben und das (global!) verantwortlich ist für die herrschenden Verhältnisse, nicht beim Namen genannt wird. Vielleicht habe ich es auch in den gut 150 Seiten überlesen, aber mir wäre das Wörtchen “Kapitalismus” kein einziges Mal untergekommen, was ich einfach nur für absurd halte und auch ein bisschen als Lug und Trug für die Zielgruppe.

Bei diversen Workshops bin ich als Jugendarbeiterin immer wieder mit ähnlichen Fragen konfrontiert und weiß daher ganz gut, dass Kinder und Jugendliche schnell checken, wie unsere Gesellschaft funktioniert, dass Geld die regiert und gerade Kinder aus bildungsfernen Familien sehr wenig Chancen haben auf z.B. einen höhren Bildungsabschluss. Umso mehr vertragen junge Menschen die ungeschminkte Wahrheit, vor allem, wenn es ohnehin ihrer eigenen Lebensrealität entspricht. Ebenso fair ist diesbezüglich Offenheit und Ehrlichkeit in der Auseinandersetzung.

Nur als Beispiel: Geärgert hat mich die Beantwortung der Frage, ob arme Menschen klauen dürfen, wenn ihnen keiner Geld gibt. Diese wird nämlich durchgehend verneint. Wobei meiner Meinung nach nicht unterschieden wird zwischen dem, was geltendes Recht ist und welche Konsequenzen haben kann und der philosophischen Frage, was im Kapitalismus “moralisch richtig” ist.

Klar, damit ist auf jeden Fall der Anfang einer Diskussion getan, gerade diesbezüglich hätte ich mir aber mutigere Antworten gewünscht. Und nicht nur, weil das Jugendlichen auch gern lesen…

Grundsätzlich aber ein wichtiges Buch, alle Antworten sind flott in kleinen Portionen zu lesen, viele obdachlose Menschen und auch Jugendliche, die auf der Straße leben (müssen), kommen zu Wort. Sicher auch im Projektunterricht udgl. toll und vielfältig einsetzbar.

Jutta Bauer (Hrsg.): Armut. Schüler fragen nach (Carlsen)

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