Die Freundinnen Simone und Süne leben in der Schweiz, gehen in die selbe Klasse und wollen eigentlich die Sommerferien miteinander verbringen. Doch plötzlich ist Süne weg ohne sich zu verabschieden und Simone versteht die Welt nicht mehr. Der Jugendroman, empfohlen ab 14 Jahren, beginnt packend und geht so rasant im Tempo weiter. Süne versteckt sich bei Simone im Garten, wird von ihren Eltern und der Polizei gesucht, neben der drohenden Zwangsheirat in der Türkei mit einem viel älteren Mann ist auch der Aufenthaltsstatus der Familie abgelaufen und deren Abschiebung steht kurz bevor. Behörden, Eltern, niemand darf erfahren, dass Süne sich bei Simone versteckt und eine Lösung für die ausweglose Situation scheint undenkbar.
Erzählt wird aus der Sicht von Simone, die als Deutsche zwar auch neu in der Schweiz ist, aber weder Kopftuch trägt noch strenggläubige Eltern hat. Dass der Blickwinkel der Betroffenen wenig vorkommt, kann kritisiert werden. Gleichzeitig ist es aber auch ein Standpunkt, in dem sich junge weiße Leser_innen mit ihren eigenen Gedankengängen wiederfinden können.
Manchmal werden die Abläufe etwas naiv geschildert, Stereotype oder pauschale Vorurteile betreffend türkischen Menschen genährt wie z.B. das Kopftuch als Unterdrückungssymbol par excellence. Trotzdem wünsche ich allen Mädchen und Frauen, die sich in so einer oder ähnlichen Situation befinden, eine Freundin wie Simone. Vielleicht ist diese ein bisschen zu selbstbewusst für ihre 14 Jahre, ein bisschen zu schlau, unerschrocken und voller Tatendrang, ihre Familie zu cool, zu abgeklärt und zu verständnisvoll, doch warum nicht. Simone ist eine Kämpferin – für ihre Freundin und gegen alle Widersprüche, die beide begleiten.
Der Roman und die daran geäußerte Kritik stellen wichtige Ansätze für eine Diskussion rund um Zwangsheirat und “traditionsbedingter Gewalt” dar, in der mir wichtig erscheint, dass migrantische bzw. minorisierte Gruppen nicht generell unter Gewaltverdacht gestellt werden. Dadurch würden diese lediglich weiter ausgrenzt und Frauen letztlich um ihr Selbstbestimmungsrecht betrogen werden. Vielleicht mangelt es dem Buch einfach an einem wirklichen intersektionellen Gewaltbegriff, in der auch die Betroffene selber zu Wort kommt. Denn im Kampf gegen Gewalt gegen Mädchen und Frauen ist wichtig zu erkennen, dass unterschiedliche Frauen unterschiedlich betroffen sind. Das exakt herauszuarbeiten schafft der Roman nicht wirklich, aber vielleicht ist das auch schon etwas zu viel verlangt.
Bei aller Kritik: Lese-Empfehlung, super-spannend und zwei starke Freundinnen.
Johanna Gerber: “Die Schwestern Löwenherz” (kwasi verlag)