Flucht, Verzweiflung, Trauer, Ohnmacht

Normalerweise lese ich die Bücher, über die ich Rezensionen schreibe erstmal, lasse sie wirken, lese sie wieder und denke länger nach, was es dazu zu sagen gibt. Bei diesem hier nicht, ich wollte sofort schreiben, was mir durch den Kopf ging, welche Gefühle es auslöst und warum.

“Flucht” soll ein sein und ist es eigentlich nicht. Dabei ist es gut und kindgerecht geschrieben, liebevoll gezeichnet und berichtet von der Fahrt übers Meer einer Familie mit Katze E.T., aus deren Sicht es auch erzählt wird. Es soll eine Geschichte sein, die versucht zu erklären, warum Menschen die lebensgefährliche Reise übers Mittelmeer in Kauf nehmen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Doch spätestens ab der dritten oder vierten Doppelseite fällt das Lesen schwer, das noch mehr und mir ist zum Heulen zumute.

Wie soll man Kindern erklären, warum Menschen andere Menschen im Meer ersaufen lassen? Dass das Massensterben im Mittelmeer in Kauf genommen wird von der Festung Europa und uns Politiker_innen einreden wollen, dass es hierzulande nicht genug Platz, Ressourcen, whatever für Menschen auf der Flucht gibt.

Das macht mich traurig und zugleich unendlich wütend. Flucht, oder zumindest Aspekte davon, bringt es den Leser_innen näher, weil es so nah dran ist an der Wirklichkeit. Diese ist unerbittlich und für Hunderttausende tödlich. Das geistig zu erfassen, fällt mir als Erwachsene, politisch gebildete Person schwer, doch wie sollen das Kinder verstehen?

Vielleicht geht es auch gar nicht um Verständnis für diese unmenschliche Welt, sondern um eine Auseinandersetzung mit dem Thema, ein Herantasten. Dazu eignet sich das gut, weil uns so schmerzhaft vor Augen geführt wird, was alltäglicher Wahnsinn ist. Der Verlag empfiehlt das Buch ab 5, aber es lässt sich ebensogut im Projektunterricht oder im Jugendzentrum für die Großen verwenden und ein Pflichtexemplar für jeden Haushalt in Österreich zur Förderung von Solidarität und Mitgefühl wär sicher kein Schaden.

Eine Besonderheit des Buches ist, dass die Menschen nicht nach Europa flüchten, sondern umgekehrt nach Afrika. Sicher, vielleicht fällt es damit manchen leichter sich mit Leuten zu identifizieren, die statt Mohammed David heißen, aber mir fiel das beim Lesen nicht mal auf und eigentlich ist es auch egal, in welche Richtung Leute flüchten müssen.

Niki Glattauer und Verena Hochleitner: Flucht (Tyrolia)

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