Ich träume schon länger von einem Wimmelbuch voller besetzter Häuser, Fahrräder, nicht lohnarbeitender Menschen, queerer Action und niedlicher Tiere. Aber weil man ja alles immer selber machen muss und ich nicht illustrieren kann, musste ich mich in der Buchhandlung nach Alternativen umsehen. Die Wimmelbücher von Rotraud Susanne Berner haben mir auf den ersten Blick am besten gefallen und sind auch nach nährerer Betrachtung wirklich gut. Das Kind kann sich stundenlang (naja, ok, minutenlang) auf die einzelnen Seiten einlassen und wir beide erfreuen jedes Mal über neu entdeckte Details und versteckte Witzigkeiten. Die “Geschichten” sind sowohl von Seite zu Seite fortlaufend (im Herbst sind viele Menschen auf dem Weg zu einen Laternenumzug), als auch von einer Jahreszeiten zur nächsten. So wird im Herbst der Kindergarten, der im Sommer u.a. von einer Bauarbeiterin renoviert wurde, nun eröffnet. Die Bewohner_innen von Wimmlingen, der fiktiven Stadt, sind angenehm divers und kommen ohne unangenehme Klischeedarstellungen aus. Auch mal schön: statt einem Kinderwagen sieht man ein getragenes Baby (leider aber mit dem Gesicht nach vorne, die Tragepolizei sollte also wegschauen). Am allerwichtigsten sind aber immer noch die vielen niedlichen Tiere, die auf jeder Seite gefunden werden wollen!
Die Maroniverkäuferin trägt einen Kastanienhut!
Berner, Rotraud Susanne: Herbst-Wimmelbuch. Hildesheim: 2011, Gerstenberg.
… und die Tiere wollen nicht nur gefunden werden, nein, auch sie erzählen Geschichten. Sucht mal den Papagei, der im Herbstbuch (meine ich) aus dem Käfig im Haus wegfliegt. Oder den Mann mit der Gans. Und der Fuchs, nach wem ist der denn auf der Jagd?
Diese Bücher waren hier über mehrere Jahre lang “im Einsatz” (wir hatten den Herbst zudem auch als Riesenleporello im Flur entlang ausgefaltet an der Wand befestigt), und noch immer schauen die eigentlich schon selbst lesenden Kinder diese Bücher dann und wann gerne wieder an. Es gibt übrigens auch noch ein Nacht-Wimmelbuch in derselben Kulisse. Und Einzelgeschichten zu verschiedenen Charakteren der Bücher (die kenne ich allerdings nur aus dem Buchladen, hatten wir nie hier).
Ich bin mittlerweile etwas skeptisch geworden, bei den Wimmelbüchern von Susanne Rotraud Berner. Klar, ich liebe sie und meine Kinder auch! Probleme habe ich aber damit, wie Normalität dargestellt wird. In keinem Wimmelbuch gibt es einen POC als Protagonist*in. Außer Pedro, der Südamerikaner, der es in Deutschland kalt findet . Natürlich spielt er Gitarre, wie die meisten Menschen aus Südamerika. Ich finde, Wimmlingen ist eine ziemlich weiße Stadt. Weißer als meine Wahrnehmung der Realität.
Und dank des Nacht-Wimmelbuchs weiß mein Kind nun, wie ein Räuber aussieht. Ungepflegt, schlecht rasiert, schwarze Haare, Maske auf und – voila, ein Räuber. “Wie sehen eigentlich die Kinder von Räubern aus?” hat mich mein Kind letztens gefragt.
Aber klar, mensch kann nicht alles haben 🙂 Danke für diesen mega-tollen Blog und die Buchvorschläge! Ich kenne nur die altebekannten Bücherlisten, die sich häufig auch wiederholen. Hier ist echt mal Neues – cool!
Hallo, ja ich finde du hast recht! Wimmlingen ist echt eine total weiße Stadt. Die Rezension ist auch schon ganze 6 Jahre alt… So viel ist in den letzten Jahren am Wimmelbuchmarkt aber leider auch nicht dazu gekommen, eines hab ich in petto, kommt demnächst hier rauf. Leider ohne so gute Geschichten wie die von Susanne Rotraud Berner, aber mit vielen Sachinfos und vor allem viel mehr Diversität.
Ich bin ähnlich zwiegespalten. Ich liebe Rotraut Susanne Berners Wimmelbücher, aber bei genauem Hinschauen wird mir mulmig.
Welche Berufe verkörpern Männer und welche Frauen? (In Vorlesebüchern mache ich mittlerweile oft Männer zu Frauen, weil es mir auf die Nerven geht, dass Frauen nicht ins All fliegen, in Meere tauchen, sich für Dinosaurier interessieren, etc.) Diversität, da hast du vollkommen recht und das mit dem Räuber will ich mir erst gar nicht so genau überlegen…
Und nichts desto trotz ist das Park-Cafe auf der letzten Seite mein Traum-Ort.