Um Unterschiede und Gemeinsamkeiten und um einen guten und gesunden Umgang mit dem eigenen Körper geht es in diesem recht grob und deswegen sehr witzig illustrierten Kinderbuch, das ursprünglich in Norwegen erschienen ist. Es zeigt auf, wie verschieden Körper, vor allem abseits eines von allen Seiten propagierten Schönheitsideal, aussehen können. Menschen sind groß, klein, dick, dünn, jung, alt, im Rollstuhl, haben unterschiedliche Hautfarben und mehr oder weniger Haare. Weiters geht um lustige Geräusche, die Körper machen können und wie man ihn am besten hegt und pflegt, nämlich durch gesundes Essen, Hygiene, Sonnenschutz und der richtigen Kleidung.
Besonders gelungen sind die Seiten, die ergebnisoffene Fragen zum diskutieren an die Leser_innen richten. Zum Beispiel: „Wann und wo können wir nackt sein?“ (Im Bus? Unter der Dusche? Am Strand?) „Wohin darfst du pinkeln? (In einen Abfalleiner? Hinter einen Baum im Wald?) und superduperextragut und so ultimativ wichtig:
Wo am Körper darf man andere berühren, ohne sie zu fragen? Wo nicht?
Das Thema Konsens (vor allem in Hinblick auf körperliche Selbstbestimmung) kann mit Kindern nicht früh genug besprechen werden und am besten sowieso immer wieder, zumal es im Rahmen einer herkömmlichen (Sexual)Aufklärung viel zu kurz kommt. (An dieser Stelle zwei englischsprachige Ressourcen dazu. Six Strategies for Teaching Children About Consent / Beyond the Talk: Teaching Your Kids About Consent)
Leider hat das Buch auch Schwachstellen. Einerseits wird offensichtlich sehr viel Wert auf Diversität gelegt, andererseits bewegt es sich, nicht sehr zeitgemäß, ausschließlich in einer ganz schön cisnormativen Matrix. Dabei wissen wir längst: Nicht alle Männer haben einen Penis und sowieo gibt es auch Frauen, die ihren Bart rasieren oder im stehen pinkeln. Weil ich die Grundidee des Buches jedoch gut finde, habe ich beim Vorlesen die paar knappen Sätze kurzerhand abgewandelt. Meinem Kind ist außerdem ein weiteres nicht unspannendes Detail aufgefallen. Alle als weiblich gelesenen Figuren werden ohne Beinbehaarung dargestellt, während die als männlich gelesenen sehr borstig sind. Auch das steht im Widerspruch zur recht body-positiven Kernaussage: Alle Menschen sind verschieden und nicht alle Frauen haben haarlose Beine, diesen Fakt kann man der Zielgruppe dieses Werks doch durchaus zutrauen.
Anna Fiske: Alle haben einen Po
Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger
80 Seiten, 14 Euro, ab 4 Jahren
Hanser 2019
Ich würde zu dem Buch ergänzen, dass das Thema Konsens in dem Buch auch nicht ganz ideal vermittelt wird. Weil ja, grundsätzlich wird gesagt, dass man “Nein” zu Berührung sagen kann. Gleichzeitig gibt es auch Seiten auf denen vermittelt wird, welche Körperstellen immer berührt werden dürfen, und wo man nicht gefragt werden muss (auf der Schulter zum Beispiel).
Und grundsätzlich sollte gelten- mein ganzer Körper gehört mir und wenn ich gar nicht will, dass mich jemand berührt ist das auch ok. (Oder es dürfen mich nur bestimmte Menschen berühren).
Persönlich finde ich auch schwierig, dass der Körper weiblich gelesener Personen in dem Kontext extrem ins Lächerliche gezogen wird. (Die Abbildung der weiblich zu lesenden Person, die nach vorne gebeugt ist und eine Person die männlich zu lesen ist will ihr neckisch in den Busen zwicken. Das hat für mich auch die Assoziation geweckt, als würde sie es vielleicht auch provozieren.)
Und bei der Körperhygiene sind nur weibliche Körper abgebildet und es ist relativ wertend – vor allem die Doppelseite mit dem “verschwitzten Mädchen mit Schweißflecken” das offensichtlich stinkt und das Mädchen in rosa Unterwäsche das sauber ist. Das tat mir rückwirkend fast weh beim Betrachten, als ich an mein jugendliches Ich gedacht habe.