Diese Rezension stammt von Gastautorin Conny Lindner . Sie ist freiberufliche Sexualpädagogin, Sexualberaterin, Supervisorin und Beckenbodentrainerin in Wien.
Nie hätte ich mir gedacht, dass ich einmal Aufklärungsbücher mit den Titeln „Für Jungs“ und „Für Mädchen“ weiterempfehlen würde. Immerhin habe ich genau diese Binarität in Buchtiteln in meinem vorigen Post bekrittelt. Aber manchmal darf man sich selbst ja auch widersprechen… 😉
Die beiden Heftchen, kaum größer als ein Pixi-Buch, sind laut Verlag für Jugendliche ab elf Jahren gedacht. Sie haben trotz der binär gewählten Titel überzeugt. Prinzipiell mag ich Bücher nicht, die von vornherein zwischen den Geschlechtern unterscheiden, denn es setzt voraus, dass es nur zwei Geschlechter gibt. Was machen Menschen, die sich hier nicht einordnen? Außerdem ist es sehr individuell, welche Themen in Bezug auf sexuelle Bildung besonders interessant sind. Die beiden Bücher haben mich jedoch positiv überrascht. Außerdem finde ich es praktisch, dass sie so klein, dünn und somit sehr günstig sind.
Keine klassisch-klischeehaften Rosa-Hellblau-Aufklärungsbücher
So klischeehaft der Titel, so wenig klischeehaft sieht es in den beiden Büchern aus, denn es werden Geschlechterklischees thematisiert, sowohl anhand von Geschlechtsidealen als auch am typischen „harten Kerl“. Auch Sexismus und Gleichberechtigung werden sehr jugendgerecht und kurz erklärt. Das sind alles Themen, die es oft nicht mal in ausführlichere Aufklärungsbücher schaffen.
Außerdem werden hier Themen wie Pornos und Sexting erklärt, was die Zielgruppe ungemein wichtig ist. Es ist eine Tatsache, dass auch Elfjährige durchaus Kontakt zu Pornos haben. Es ist notwending, das Thema nicht zu ignoerieren, sondern einen gesunden Umgang mit Medien im Allgemeinen zu erklären.
Spätestens die Seiten über Homosexualität, Trans- und Intergeschlechtlichkeit haben mich überzeugt, dass diese beiden Bücher keine klassisch-klischeehaften Rosa-Hellblau-Aufklärungsbücher sind, die es am Markt zu Hauf gibt. Auch die Illustrationen finde ich in beiden Büchern sehr gelungen.
Dadurch, dass die Bücher sehr knapp gehalten sind, ist es wichtig, sie nicht als einziges Aufklärungsbuch zu Hause zu haben. Ich bin grundsätzlich ein Fan davon, mehrere Bücher zur Verfügung zu stellen und sie zu kombinieren. Wer also ein nicht-klischeehaftes Buch, dass sich dennoch an explizit an Buben oder Mädchen richtet, wird hier fündig. Auch wenn ich mich immer wieder Frage, warum es diese Trennung bei Aufklärungsbüchern überhaupt gibt, denn die interessanten Themen für Jugendliche sind wie bereits sehr individuell und ähnlich. Außerdem schadet es nicht, wenn Mädchen sich mit dem männlichen* Körper auskennen und Buben ebenso wissen, was ein Zyklus ist.
Tielmann, Christian/Hellmeier, Horst (2018): Für Jungs: Pubertät, Körper und Gefühle. und Kienle, Dela/Garanin, Melanie (2018): Für Mädchen: Pubertät, Körper und Gefühle