Geschichten von Tieren, die gerne einschlafen möchten

Zur Vorgeschichte: Unser Kind ist 2,5 und Schlafen war seit Anfang an eine schwierige Angelegenheit. Als neugeborenes Baby schrie sie monatelang mehr oder weniger durch, mit zunehmender Mobilität verschwand das Schreien allerdings. Geblieben ist uns das große Thema Schlafen, denn dagegen verwehrt wird sich bis heute – in der Regel heftig.

Probiert haben wir so gut wie alles, was wir pädagogisch für vertretbar fanden – und dazu gehört ganz sicher nicht „Jedes Kind kann schlafen lernen“. Diese Art des Schlaftrainings halte ich für eine Form vom Gewalt gegenüber Kindern, und suggeriert, dass Kinder kleine Monster sind, die mit der richtigen Einstellung formbar und easy to handle wären. Gelesen habe ich das verhasste Buch trotzdem, gegraust hat mir bei vielen Inhalten darin sehr. Denn wenn Kinder schon als Baby lernen, dass ihr Weinen keinen Sinn hat, und sie damit allein gelassen werden, halte ich das für einen schrecklichen Fehler. Ich möchte weder den kindlichen Willen brechen noch Gefühle dieser Art antrainieren müssen, und wenn wir das Zimmer verlassen haben, weil wir am Schreien verzweifelten, dann nur, um uns kurz zu erholen und selbst zu beruhigen.

Und um es noch einmal zu betonen: Wir haben alles versucht. Wir bringen unser Kind seit immer schon zu einem fixen Zeitpunkt ins Bett, Schlafritual, ausreichend fürs Kuscheln, Geschichten, Familien- und wahlweise eigenes Bett. Cranio Sacral, Babytherapie, Geburtsaufarbeitung, kinderärztliche Checks. Warum das Kind nicht schlafen will und kann: Wir wissen es nach wie vor nicht. Seit dem es sprechen kann, sagt es immer wieder auch, dass es Angst vorm Schlafen hat. Doch warum diese Angst existiert oder was dahinter steht, dazu wissen weder wir noch Expert_innen eine Antwort.

Vor ca. einem halben Jahr beliefen sich unsere Einschlafbegleitungen auf teilweise mehr als zwei Stunden. Das Kind ist hundemüde, weil es seit dem 2. Geburtstag auch jeden Mittagsschlaf verweigert, aber es will weder ins Bett, noch dort still liegen oder sich entspannen. Wir arrangieren uns damit, manchmal besser, manchmal schlechter.

In einer Phase der Verzweiflung bin ich bei meinen Online-Recherchen auf das Buch „Das Kaninchen, das so gerne einschlafen will“ gestoßen, hab es mir sofort bestellt und gleich ausprobiert. Das Kind wollte am ersten Tag zwar die Geschichte hören, und wehrte sich aber körperlich massiv gegen das Einschlafen. Sie tritt dann heftig gegen das Buch, turnt im Bett herum, springt auf meinen Kopf, holt alle Bücher (und das sind viele) aus dem Regal und baut damit eine Mauer usw. Die Geschichte vom Kaninchen ist recht lang – laut und langsam vorgelesen dauert diese fast eine ¾ Stunde. Aber: Welch Wunder, irgendwann wurde sie schon an Tag 1 ruhiger, legte sich hin und war auf der vorletzten Seite eingeschlafen. Am Anfang gibt es eine Einleitung, wie das Buch konkret vorzulesen ist, dass man z.B. immer bis zum Ende lesen soll, auch wenn das Kind bereits pennt. Das habe ich auch mehrfach gemacht, vor allem zu Beginn unserer Testphase, dann aber nicht mehr. Einen Unterschied konnte ich nicht bemerken. Grundsätzlich würde ich raten keinen Dogmatismus diesbezüglich an den Tag zu legen und so zu lesen, wie es für einen selbst und für das jeweilige Kind am besten passt.

Am 2. Tag wurde schon nach Konrad verlangt, und mein Kind schlief bei der Stelle ein, an der Onkel Sandmann sein starkes Schlafpulver verstreut, also nach ca. 20 Minuten. Was für ein sensationeller Erfolg für uns, was für eine Erleichterung. Und so ging es anfangs weiter. Besonders die ewigen Wiederholungen, die Suggestiv-Phrasen und der nicht vorhandene Spannungsbogen machten aus Konrad bald einen lieben Freund, den wir jeden Abend treffen wollten. Wir lieber als das Kind. Die Geschichte ist nämlich schlichtweg fad, das Kaninchen kann nicht einschlafen, die Mama begleitet es zu Onkel Sandmann, am Weg treffen sie zwei schläfrige Tiere, die noch weitere Tipps zur Entspannung haben, und am Ende können alle endlich schlafen.

Onkel Sandmann in Aktion

Die Bilder im Kaninchen-Buch sind fast ein bisschen gruselig, da die Tiere sehr müde Gesichter haben, aber jedenfalls nicht faszinierend für unser Kind, weswegen getrost die Augen zugemacht werden können. Ein weiterer Bonus. Sprachlich finde ich Konrad nicht ganz gelungen, der Erzählstil schwangt vom Singular zum Plural und zurück, und manche Teile lasse ich einfach aus, da sie das Kind zu diversen Aktivitäten herausfordern würden, wie z.B. Anklopfen. Sonst ist es allerdings ein Meisterwerk an langweiligen und ermüdenden Sätzen á la „Entspanne dich.“, Du darfst nun einschlafen, jetzt.“ oder „Hinunter, hinunter, ja gut so.“ inklusive kindgerechten autogenem Training wie z.B. „Entspanne deine Füße, … sie sind ganz schwer und warm…“ (mag das Kind besonders gern) und wertschätzenden Bestätigungen:

„Du bist genau so richtig, wie du es kannst, wie du es bist, und genau jetzt sein kannst.“

Von allem ein bisschen was, und auch, wenn das Kind aktuell lieber bei einer anderen Geschichte einschläft, für uns hat das Buch eine Zeitlang wirklich geholfen. Denn nicht nur das Kind schlief damit tief und fest, auch wir beim Vorlesen gleich mit.

Vom gleichen Autor gibt es noch ein zweites Buch „Der kleine Elefant, der so gerne einschlafen möchte“ mit Ellen als Protagonistin und einer ähnlichen, aber doch sprachlich präzisieren Geschichte. Besonders gelungen finde ich dabei die Zeichnungen und dass hier auch Papa eine Rolle in der Einschlafbegleitung spielt. Im Konrad-Buch schläft der Papa nämlich schon, die ganze hat – wieder einmal – die Mama.

Ellen am friedlichen Fluss

In meinen Recherchen zum Buch bat ich auch leidgeprüfte Erwachsene mit Schlafproblemen um eine Testung. Für beide Bücher gibt es liebevolle Hörbuch-Fassungen. Die Geschichte wird von Erwachsenen als sehr sinnvoll, entspannend und beruhigend erlebt, denn sie vermittelt in deren Wahrnehmung vertraute, angenehme Gefühle der Geborgenheit. Da jedoch Schlafstörungen im Erwachsenenalter in der Regel komplexer gelagert sind, ist eine regelmäßige Anwendung für meine Tester_innen kein passendes Mittel.

Und auch für alle Kinder gilt: Es gibt keine Patentlösung rund ums Schlafen. Jedes Kind ist anders und jedes Kind benötigt Unterschiedliches, um gut in den Schlaf finden zu können. Beide Bücher beinhalten großartige Ideen, wie es vielleicht klappen könnte. Unser Kind spricht darauf an, andere gar nicht. Manche scheinen sogar vollkommen immun gegen die müdemachenden Geschichten zu sein. Aber das müssen alle, die Kinder regelmäßig beim Einschlafen begleiten, selbst herausfinden.

Carl-Johan Forssén Ehrlin: „Das kleine Kaninchen, das so gerne einschlafen möchte“ & „Der kleine Elefant, der so gerne einschlafen möchte“ (mosaik)

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